Wirklichkeit und Realität vom philosophischen Standpunkt aus betrachtet

Aus Jugendsymposion
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von Pierre-Pascal Forster, 23. Februar 2010

Die Wirklichkeit oder Realität kann man von verschiedenen Standpunkten aus betrachten. So sieht auch jeder die Wirklichkeit anders, es hängt immer von der Einstellung der Person ab, was sie schon erlebt hat, was sie glaubt und vor allem, was sie fühlt. Auf diese Weise schafft sich jeder seine eigene Realität. Dies lässt sich besonders gut bei alten Menschen beobachten, wenn man ihre Lebenseinstellungen kennt. Wirklichkeit ist also immer subjektiv, eine objektive Wirklichkeit gibt es nicht. Viele Dinge halten wir für sicher, die es aber beim näheren Hinsehen gar nicht sind. Man kann nicht einmal genau sagen, wie real die eigene subjektive Wirklichkeit ist, und so muss man sich die Frage stellen ob Alles oder zumindest ein Teil nur Illusion ist oder ob wir die Wirklichkeit nur “falsch” wahrnehmen. Wir können auch nur vermuten, wie unsere eigene Realität aussieht.

Zuerst müssen wir zwischen Wirklichkeit und Erscheinung unterscheiden. Erscheinung ist das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen, ohne ein Urteil darüber zu fällen. Wirklichkeit ist das was wir hinter der Erscheinung vermuten. Beispiel:

Wir betrachten beispielsweise einen Tisch, und nehmen ihn mit unseren Sinnen wahr. Doch selbst unseren eigenen Sinnen können wir nicht trauen. Denn sie liefern uns immer wieder falsche Informationen. Wenn also mehrere Leute um den Tisch stehen, werden sie ihn alle unterschiedlich wahrnehmen, obwohl sie alle die selbe Sache betrachten.

Der Tisch wird uns beim Ansehen z.B. rechteckig erscheinen, bei genauerem hinsehen werden wir jedoch feststellen, dass er uns eher trapezförmig erscheint.

Ähnlich ist es mit der Farbe des Tisches, denn bei unterschiedlicher Beleuchtung, nehmen wir die Farbe anders wahr. Wir können nicht mit Sicherheit sagen, welche der wahrgenommenen Farben die reale Farbe des Tisches ist. Eigentlich können wir nicht einmal sagen, ob die Farbe des Tisches, wenn er denn wirklich eine hat, überhaupt bei den wahrgenommenen dabei war.

Genauso wie der Sehsinn, liefern uns auch alle anderen Sinneswahrnehmungen bei genauerem Betrachten nur falsche oder ungenaue Informationen.


Das Höhlengleichnis von Platon:
Das Höhlengleichnis spricht von Menschen die in einer Höhle seit ihrer Kindheit festgebunden sind. Sie können nur eine Höhlenwand an der anderen Höhlenseite sehen. Sich umdrehen können sie nicht. Etwas anderes als diese Höhlenwand haben sie noch nie gesehen. Hinter den Gefangenen ist eine Mauer, und dahinter brennt ein Feuer. Hinter der Mauer tragen Leute Gegenstande vorbei, die Schatten auf die Höhlenwand werfen. Wenn die Leute sprechen, hallt es so von den Wänden wider, dass es sich anhört, als ob die Schatten sprechen würden. Die gefesselten Menschen halten diese Schatten natürlich für die Realität und denken nicht, dass die Schatten nur eine Auswirkung von etwas anderem sind. Platon fragt nun was passieren würde, wenn man einen Gefangenen losbinden und umdrehen würde. Er sagt, dass dieser, vom Feuer geblendet, nichts sehen könnte. Der Mensch wird wieder zurück am seinen alten Platz wollen, wo er klar sehen kann.

Weiter fragt Platon was passieren würde, wenn man den Gefangenen nun aus der Höhle ins Sonnenlicht brächte. Auch hier wäre er zuerst geblendet. Doch nach und nach könnte der Gefangene Dinge erkennen und würde erkennen, dass Schatten durch die Sonne geworfen werden.

Wenn der Gefangene nun wieder in die Höhle zu der anderen zurückkehren würde, würde er dort wahrscheinlich den anderen Berichten, wie die Dinge wirklich sind und dass die Schatten gar nicht die Wirklichkeit sind. Die Anderen würden ihm keinen Glauben schenken.

Das Höhlengleichnis lässt sich gut auf unser Leben übertragen, da wir wie die Gefangenen in ihrer Höhle in unserer subjektiven Realität gefangen sind. Und auch wir schenken Menschen die uns von einer anderen Wirklichkeit berichten nur wenig Glauben.


Auch der Buddhismus beschäftigt sich mit der Wirklichkeit. In dieser Religion spricht man von zwei Wirklichkeiten: die vordergründige Wirklichkeit und die letztendliche Wirklichkeit. Die vordergründige Wirklichkeit ist das, was wir jetzt wahrnehmen, sie wird auch als Erscheinungswelt bezeichnet. Um die letztendliche Wirklichkeit zu verstehen, muss man den Begriff Leerheit verstehen. Dieser besagt, dass nichts aus sich selbst existieren kann, also leer von eigenständiger Existenz ist. Es entsteht und existiert also alles in Abhängigkeit von anderen Dingen. Auf diese Weise sind alle Dinge miteinander verbunden und voneinander abhängig. Dadurch ist alles Auswirkung einer Ursache, und wiederum Ursache für eine andere Auswirkung.

Der Buddhismus sagt, dass Personen und Dinge nicht so existieren, wie sie uns erscheinen. Die Nichtexistenz des Individuums kann nur mit dem Erleuchtungsgeist verstanden werden. Die Leerheit aller Dinge und Personen bezeichnet der Buddhismus als letztendliche Wirklichkeit.


Die Hermetischen Schriften sagen das alles Geist ist. Sie sagen das alles eine geistige Schöpfung des Alls ist. Dies wird als substantielle Realität bezeichnet.

Auch hier wird zwischen der relativen und der absoluten Realität unterschieden. Die relative Realität ist das was wir nur vordergründig wahrnehmen. Was wir wahrnehmen ist nur eine vergängliche Sache, die kommt und geht.

Von der absolute Realität aus gesehen ist alles geistig, und das was wir erleben eine Illusion. Die Hermetiker jedoch sagen, dass man immer beide Pole der Wirklichkeit sehen muss. Sie sprechen hierbei vom Göttlichen Paradox des Absoluten und Relativen.


Zusammenfassend kann man sagen, dass es mehrere Wirklichkeiten gibt, denn jeder hat seine eigene und kennt auch nur diese. Es gibt also keine richtige oder falsche Realität, es hängt immer vom Betrachter ab, was für ihn richtig oder falsch ist.

Die Wirklichkeit liegt also immer im Auge des Betrachters . Je nachdem wie er Dinge auffasst, so erlebt er sie auch. Andere würden die selbe Situation ganz anders aufnehmen und erleben. Wenn man sich z.B. immer wieder etwas einredet, dann wird man auch genau das erleben, was man sich eingeredet hat.

Wir schaffen uns mit unserem Denken und Handeln unsere eigene Wirklichkeit. Wie diese aussieht kann jeder selbst bestimmen.


Zitate:

"In Wirklichkeit erkennen wir nichts; denn die Wahrheit liegt in der Tiefe."
(Demokrit, Fragment 117)

„Was, wenn alles nur eine Illusion wäre und nichts existierte? Dann hätte ich für meinen Teppich eindeutig zu viel bezahlt.“
(Woody Allen)

Ich glaube, dass das Gehirn seine eigene Konstruktionen und Bilder von der physischen Realität erschafft. Aber gleichzeitig erschafft es sie in einer solchen Art und Weise, dass sie mit dem in Resonanz stehen, was wirklich vorhanden ist.
(Karl Pibram)

Tatsachen gibt es nicht, nur Interpretationen.
(Friedrich Nietzsche)

Jeder meint, dass seine Wirklichkeit die richtige Wirklichkeit ist.
(Paul Watzlawick)

Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit.
(Albert Einstein)


Pierre-Pascal Forster

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