Sprachliche Wirklichkeit: Anglizismen in der Werbung

Aus Jugendsymposion
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von Milena Hagemann, 2. März 2010

Sprache fasziniert mich, denn sie ist das beste Mittel, um sich mit anderen Menschen zu verständigen. Durch Sprache können wir unsere Gedanken, Gefühle und Wünsche ausdrücken. Durch Sprache ist jedoch auch eine Manipulation möglich, wie es zum Beispiel von manchen Marketingchefs in der Werbung versucht wird. Hierbei stellen Anglizismen ein häufig verwendetes Mittel dar.

Werbung soll über unsere Bedürfnisse hinweg Wünsche wecken. Dies geschieht weniger durch sprachliche Information, sondern vielmehr durch Manipulation des Unterbewusstseins durch Wunschbilder. Die Vorspiegelung von Information durch Manipulation gelingt mit Hilfe vorgefertigter Sprachsignale, die die gewünschten Bilder in uns freigeben sollen. Auch die in der Werbung verwendeten Anglizismen bestehen aus solchen Sprachsignalen. Sie sollen Wunschbilder wie: Modernität, Aktualität, Aufgeschlossenheit, Luxus, Spaß, Internationalität etc. bei den Zielpersonen erzeugen und sie dadurch schließlich dazu bewegen, das Produkt zu kaufen. So sollen Wörter in der Werbung, wie zum Beispiel: fun, light, power, kids, event, shop, wellness und viele weitere unsere Wünsche und Lebensentwürfe auf (oder in) Warenform bringen. Doch werden durch Anglizismen in der Werbung diese gewünschten Ziele überhaupt erreicht? Wie gut werden Werbeslogans dieser Art von den Menschen überhaupt verstanden? Lassen wir uns wirklich durch Sprache manipulieren? Wer kennt nicht die vielfältigen Werbeslogans, die teilweise unterhaltsam, oft aber auch nervig sind. Werbeslogans wie dieser von Douglas: „Come in and find out“, der laut einer Studie von vielen Probanden völlig falsch verstanden wurde. „Komm herein und finde wieder heraus“ ist zwar eine kreative Übersetzung, fraglich ist jedoch, ob Douglas es begrüßt, wenn seine Kunden anscheinend nur darauf aus sind das Geschäft schnellstmöglich wieder zu verlassen. Ein möglicher Grund dafür könnten die für manche feinen Nasen vielleicht zu heftigen Parfümwolken sein, die einem schon beim Betreten einer Douglasfiliale entgegen fliegen. Die eigentliche Botschaft, die Douglas vermitteln wollte war jedoch: „Komm herein und entdecke“.

Ein weiteres Beispiel aus dieser Studie ist der ehemalige Werbeslogan der Fastfoodkette McDonald`s. Diese warb damals mit „Every time a good time“. Als den Werbemachern bewusst wurde, dass dieser Spruch für viele potentielle Kunden unverständlich war, wechselten sie zu „Ich liebe es“. Ein mittlerweile ziemlich etablierter Werbeslogan, den viele sofort mit McDonald`s in Verbindung bringen können und der in diesem Fall eine positive Botschaft vermittelt. Möglicherweise kann die Fastfoodkette durch diesen deutschsprachigen Werbeslogan noch mehr von seinen neuen „Veggieburgern“ und „Curry Chicken“ loswerden, vielleicht auch nicht.

Ein letztes Beispiel für Anglizismen in der Werbung, welches ich an dieser Stelle beschreiben möchte, ist für mich eine interessante und zugleich unverständliche Entwicklung der Werbesprüche des Fernsehsenders SAT.1. Dieser Sender warb bis zum Jahr 2003 mit dem Spruch: „ Powered by emotion“, was soviel wie: „von Gefühlen angetrieben“ bedeutet. In einer Studie der Endmark AG in Köln, einem Unternehmen für „Bennenungsmarketing“, wurde 2003 anhand von zwölf Unternehmen untersucht, inwieweit deren englischen Werbeslogans überhaupt verstanden werden. Die zuvor aufgeführten Beispiele entstammen auch dieser Studie. Das Resultat der Studie war eindeutig, viele Verbraucher verstanden diese Werbesprüche gar nicht oder falsch. Daraus zogen acht der zwölf Unternehmen den Schluss, dass ein Wechsel zu einem deutschsprachigen Werbespruch sinnvoll sei. Darunter auch der Sender SAT.1, dessen Werbespruch von den Verbrauchern mit „ Macht und Emotion“ und „Kraft durch Freude“ übersetzt worden war. Letztere Übersetzung erinnert stark an das Motto der nationalsozialistischen Organisation KdF („Kraft durch Freude“), die von 1933-1945 die Aufgabe hatte, die Freizeit der deutschen Bevölkerung zu gestalten, zu überwachen und gleichzuschalten. Ich nehme kaum an, dass SAT.1 bei der Wahl seines Werbeslogans diese Assoziationen hervorrufen wollte. Die Ergebnisse dieser Studie bewogen SAT.1 dazu, von nun an mit dem deutschsprachigen Werbespruch: „SAT.1 zeigt´s allen“ zu werben. Dieser mag wohl allen Zuschauern verständlich gewesen sein. Man konnte sich jetzt, egal wer man war, von dem vielfältigen Angebot von SAT.1 beglücken lassen, denn SAT.1 zeigte es ja allen. Eine Entwicklung, die mich stutzig machte war folgende: Ab dem 16. September 2009 tritt der Sender nun mit einem neuen Werbeslogan auf, dieser war überraschenderweise nun wieder ein englischsprachiger, nämlich „colour your life“, was „färbe dein Leben“ heißen soll. Der Marketingleiter des Senders sagte folgendes zu dieser Umgestaltung:

"Wir wollen das Fernseherlebnis SAT.1 wieder bunter gestalten, lebensfroher und positiver und unsere Zuschauer auch optisch mit dem Senderauftritt begeistern. SAT.1 steht heute mehr denn je für modernes family-TV und wird jetzt auch so kommuniziert". Mich wundert es kaum, dass SAT.1 bei einem Marketingleiter, der sich gerne mithilfe von Anglizismen ausdrückt auch einen englischsprachigen Werbespruch bevorzugt. Welche „family“ von heute will schon das Programm eines Senders sehen, der mit einem langweiligen deutschsprachigen Slogan wirbt? Auf mich wirkt dieser Spruch jedoch etwas anmaßend, denn auch ohne SAT.1 ist mein Leben keineswegs grau und farblos. Durch diesen neuen Werbespruch zeigt sich sehr gut, welche Interessen hinter diesem Motto stehen. In diesem Fall soll dem Verbraucher suggeriert werden, er habe durch SAT.1 ein tolleres, bunteres Leben. Dies entspricht genau den schon genannten Zielen, die man durch Anglizismen in der Werbung versucht zu erreichen. Offen bleibt die Frage, wie gut nun dieser neue Werbespruch vom Verbraucher verstanden wird, dies könnte durch eine weitere Studie geklärt werden. Sollte dies geschehen, bin ich gespannt, wie SAT.1 diesmal auf die Ergebnisse reagiert.

Was spricht eigentlich für und gegen Anglizismen in der deutschen Sprache?

Auf der einen Seite gibt es Personen, die Anglizismen in der deutschen Sprache sehr kritisch gegenüberstehen, aber auch solche, die betonen, dass Sprache einem stetigen Wandel unterworfen sei und dass Anglizismen deshalb keine Bedrohung für die deutsche Sprache darstellen.

Im Folgenden eine Aussage des Germanistikprofessors Rudi Keller von der Universität Düsseldorf, der diesem Phänomen neutral gegenübersteht:

Er veröffentlichte einen Artikel zur Frage: "Ist die deutsche Sprache vom Verfall bedroht"? Darin beantwortet er die Frage nach einer Bedrohung unserer Sprache mit einem klaren Nein. Bei der steten Eingemeindung von Wörtern aus fremden Sprachen, vor allem aus dem Englischen, handele es sich um einen normalen Sprachwandel. Seit jeher drängen neue Wörter in die Sprache ein, würden übernommen oder fielen irgendwann wieder heraus. Zudem seien systematische Fehler von heute die neuen Regeln von morgen. Er meint: „Wer denkt heute bei "Sinn machen", "Keks" oder "Streik" noch an Anglizismen?“

Dagegen sagt der Verein Deutsche Sprache e.V. zu Anglizismen in der Werbung:

„Die Sprachsignale des Werber-Denglisch erzeugen oberflächliche Wunschbilder in (und von) uns. Zum sprachlichen Informationsaustausch sind diese Wörter und Ausdrücke nicht gedacht. Deshalb meldet unser Muttersprachgefühl Widerspruch gegen sie an.

Diesen Widerspruch wollen uns die werbenden Signalgeber und werbewissenschaftlichen Helfer ausreden. Sie verheddern sich dabei in widersprüchlichen Aussagen: Zuerst versichern sie uns, ihr Denglisch sei nur kurzlebig, also sprachlich folgenlos. Wenn wir dem widersprechen, behaupten sie das schiere Gegenteil, nämlich dass nur durch ihr falsches Englisch im Deutschen unsere Muttersprache zukunftstüchtig werde. Jeder Tag, an dem wir solchen Sprachmanipulationen verfallen, bringt uns dem Verfall unserer Muttersprache und dem entgleiten unseres Blicks auf die Wirklichkeit näher.“

Der Verein für deutsche Sprache e.V. ist wohl einer der kritischsten Gegner, was die Verwendung von Anglizismen angeht, seine Mitglieder sind der festen Überzeugung, Anglizismen seien überwiegend schädlich oder überflüssig für die deutsche Sprache.

Letztendlich kann eine Bewertung von Sprache, in diesem Fall von Anglizismen in der Sprache, immer nur eine subjektive sein, jeder kann nur für sich entscheiden, wie bestimmte Wörter und Sätze auf ihn wirken und ob sie Bereicherung oder Bedrohung sind.

Ich bin jedenfalls gespannt, womit uns die Werbemacher in den nächsten Jahren überraschen werden und werde mir bei jedem neuen Anglizismus die Frage stellen: Hätte es eine gute deutsche Alternative gegeben, oder gefällt mir dieser Werbeslogan?


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