Eigene Gedanken zum bedingungslosen Grundeinkommen

Aus Jugendsymposion
Wechseln zu:Navigation, Suche

von Benjamin Mitzkus, 1. März 2010


Basierend auf dem Vortrag von Götz Werner am 11.12.2009 während des 1. Kasseler Jugendsymposions habe ich mir eigene Gedanken zu der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens und dem von G. Werner angesprochenen Verhältnis von Arbeit und Geld gemacht, die ich auch während der Präsentation in der Schulgemeinschaft und vor dem Lehrerkollegium zur Diskussion bringen konnte. Dabei war eine grundlegende und immer wieder auftretende Frage bei mir die Umsetzbarkeit dieser Idee. Wie ist das Modell finanzierbar und ist es möglich, ein solches an urchristliche oder kommunistische Ideen erinnerndes Modell in unserer eher egoistisch-kapitalistisch geprägten Gesellschaft durchzuführen? Warum fasziniert mich die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens?

Dieses System fasziniert mich, weil ich glaube, dass in einer Gesellschaft, in der ein solches System funktioniert, viele Menschen glücklicher und auch selbstzufriedener leben würden und mit mehr Freude ihrer Arbeit nachgehen könnten. Welche Chancen also birgt das System für den Bürger?


Zunächst hat man ein gesichertes Einkommen und muss sich ums „Überleben“ keine Sorgen machen. Demnach hat man mehr Freiheit, sich einen Beruf zu suchen, der einem wirklich zusagt, für den man qualifiziert ist, der einem selbst gefällt und Freude bereitet.

Handelt jeder so, steigt die Qualität der Produkte meiner Meinung nach, weil sie mit mehr Freude und Motivation erzeugt werden, was ebenfalls eine Steigerung an Lebensfreude und Zufriedenheit mit sich bringt.


Wichtiger als das ist jedoch das Gefühl, mit dem man bei der Arbeit ist. Wenn man nicht mehr das Gefühl hat, für den Chef oder für seinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen, sondern weiß, dass man für die Gesellschaft arbeitet, sieht man mehr Sinn in seiner Tätigkeit. Was ich damit meine, ist, dass man merkt, dass man etwas besonders gerne tut oder besonders gut kann, und an ebendieser Stelle arbeitet man und bringt seine - im Vergleich zu einem anderen, der andere Fähigkeiten hat - bessere Leistung ein. Genauso sind Produkte oder Dienstleistungen, die man in Anspruch nimmt, von höherer Qualität , wenn sie jemand hergestellt bzw. geleistet hat, der in diesem Bereich besonders gut ist. Dadurch wird sich ein anderes Gesellschafts- bzw. Gemeinschaftsgefühl einstellen, das einem vermittelt, wenn man sich selbst einbringt, bringt die Gesellschaft auch etwas zurück.


Eine andere Chance ergibt sich aus der Tatsache, dass durch mehr Konsum mehr Nachfrage, mehr Produktion und in Folge dessen mehr Arbeitsplätze vorhanden sind. Also hat jeder, der will, auch die Möglichkeit zu arbeiten. Wenn Bildung und Ausbildung staatlich gesichert sind (so soll es laut G. Werner sein), so hat hoffentlich dann auch jeder die Möglichkeit, den Beruf zu erlernen und auszuüben, den er sich wünscht.


Modellversuche zeigen, dass es funktionieren kann, z.B. bei Projekten in Namibia, wo armen Menschen Geld ausgezahlt wurde, damit sie die Möglichkeit haben, ihre Kinder zur Schule zu schicken und sich selbst Arbeit zu suchen. Die Auswirkungen waren sehr positiv, ein landesweites Projekt wurde bisher jedoch nicht genehmigt. In Alaska gibt es bereits ein Grundeinkommen, das aber bei weitem nicht existenzsichernd ist. In der Mongolei soll ein ähnliches Projekt eingeführt werden. Finanziert wird dieses über den Verkauf von Bodenschätzen. In Deutschland soll Mitte 2010 ein Versuch gestartet werden, bei dem jeweils 100 Bürger in einer wirtschaftlich starken und einer wirtschaftlich schwachen Region 800€ sowie alle Sozialabgaben ausbezahlt bekommen. In kleineren Kreisen wie den Projekten in Namibia wurden nur positive Ergebnisse erzielt, was in einem größeren Rahmen bei einem existenzsichernden Modell geschehen würde, kann ich mir nicht vorstellen.


Diese Modellversuche sind jedoch vom Prinzip her nicht übertragbar auf das Modell von G. Werner, da sie zwar unterschiedliche Grundeinkommensmodelle repräsentieren, jedoch entweder nicht für einen ganzen Staat ausgelegt sind oder nicht existenzsichernd sind. Außerdem ist die Intention dieser Projekte das Wirtschafts- und Sozialsystem zu stabilisieren, G. Werner hat jedoch auch moralische Absichten mit seiner Art von Grundeinkommen, z.B. die Aussage, Arbeit (also Lebenszeit) sei nicht bezahlbar, weswegen man eine Gesellschaft schaffen müsse, in der jeder für die Gesellschaft arbeite und die Gesellschaft wiederum das Überleben des Einzelnen sichere. Aufgrund der Unmöglichkeit der vollen Übertragung der Modellversuche auf G. Werners Prinzip sind einige Fragen offen geblieben.


Zunächst führe ich die ungeklärten Fragen an, die in Bezug zu der Durchführbarkeit stehen:

Die erste Frage, die mir immer in den Sinn kommt, ist die finanzielle Realisierbarkeit der Idee. Ein reines Rechenexempel sah bei mir folgendermaßen aus: Bei einem Grundeinkommen von 1500 € und einer Mehrwertsteuer von 50% auf allen Konsumgütern muss die monatliche Ausgabe für Konsumgüter durchschnittlich deutlich über 3000 € betragen, denn davon sollen 50% Mehrwertsteuer das nächste Grundeinkommen à 1500 € finanzieren, dazu kommen Ausgaben für Bildung, öffentliche Gebäude etc. Das heißt, der Pro-Kopf-Verdienst muss durchschnittlich deutlich über 1500 € liegen, damit man 3000 € zum Ausgeben überhaupt hat. Mir ist nicht klar, wie es möglich sein könnte, eine Masse an Arbeitsplätzen zu schaffen, die so gut bezahlt werden können, da in der Rechnung ja immer noch auf die Summen draufgeschlagen werden muss (durchschnittliche Werte, nicht eingerechnet Kinder, Rentner, Arbeitslose, nicht eingerechnet evtl. Sparen von Geld, nicht eingerechnet laufende Ausgaben des Staates).


Damit komme ich zu der nächsten Frage, der Frage, wofür das Geld des Einzelnen ausgegeben werden soll. Wenn ich mir vorstelle, in unserem Drei-Personen-Haushalt sollen monatlich deutlich über 3000 € pro Person ausgegeben werden, also insgesamt weit über 9000 € (was aufgrund der 50% Mehrwertsteuer einer tatsächlichen Kaufkraft von 4500 € entspräche), so frage ich mich, was alles konsumiert werden muss, um monatlich an derartige Summen heranzukommen.


Zu den ungeklärten Fragen kommen noch ein paar Risiken, die ein solches System mit sich bringt.


Einmal birgt das System das Risiko, dass es finanziell nicht zu tragen ist. Die Folge wären möglicherweise, dass der Staat in Konkurs geht und das System reformiert werden muss. Darauf will ich aber nicht näher eingehen.


Das nächste Risiko liegt dem nicht fern: Was passiert nämlich, wenn der idealisierte Gedanke, dass der Mensch durch eigene Arbeit und Konsum das System finanziert, daran scheitert, dass der Mensch egoistisch ist und deswegen große Teile der Bevölkerung mit ihrem Grundeinkommen und vielleicht kleinen Zuverdiensten ihr Leben bestreiten? Das System kann auch unter diesen Umständen nicht bestehen, denn wie eingangs schon erwähnt funktioniert das Prinzip nur über Konsum, und zwar in Mengen, die mehr als das Doppelte des Grundeinkommens betragen müssen.


Ein weiteres Risiko liegt in der Zuwanderung von Menschen, an die ebenfalls Grundeinkommen ausgezahlt werden müsste. Dieses Argument ist jedoch dann nicht schlagkräftig, wenn die zugewanderten Menschen auch in dem Land arbeiten und konsumieren, von dem sie das Grundeinkommen beziehen: Dann funktioniert das System dennoch. Das Risiko liegt darin, dass Menschen bewusst mit dem Vorsatz zuwandern, vom quasi geschenkten Grundeinkommen zu leben. Eine Möglichkeit wäre hier eine Regelung wie die Green Card in den USA, die ja nur eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung über Zeit ist. Man erlangt erst dann die Staatsbürgerschaft, wenn Lebensgrundlagen wie Wohnung und Einkommen gesichert sind, was in einem Staat mit bedingungslosem Grundeinkommen heißt, dass man erst in der Gesellschaft bleiben darf, wenn man in das System von Geben (der Gesellschaft nutzen) und Nehmen (Grundeinkommen beziehen) integriert ist.


Menschen, die in Grenznähe wohnen, könnten der Versuchung erliegen, im benachbarten Staat die günstigeren Produkte einzukaufen, die ja dort mit niedrigeren Steuern belegt sind. Durch eine sehr genaue Zollkontrolle könnte hier einiges abgefangen werden, jedoch dürfte es unmöglich sein, eine vollständige Kontrolle an den Grenzen zu gewährleisten und z.B. zu prüfen, ob jemand seinen Wagen im In- oder Ausland vollgetankt hat. Das mag zwar wie eine Lappalie aussehen, würde sich aber bei Millionen von Menschen in Grenznähe summieren. Bleibt das im Staat verdiente oder erhaltene Geld nicht im Staat, ist ein solches System ebenfalls gefährdet. Nur versteuertes Geld/Ware kann ein-/ausgeführt werden.


Aus meiner Sicht kann ich auch nach der Auseinandersetzung mit dem Thema sagen, dass ich ein solches System wünschenswert finde, aber nicht glaube, dass es zu realisieren ist. Ich glaube, letztlich würde immer der Egoismus des Menschen siegen und man würde wieder nach Möglichkeiten suchen, dieses System auszubeuten, z.B. sein Geld durch eine Gesetzeslücke ins Ausland zu bringen. Was das über lange Sicht für das eigene Land bedeutet, daran denkt niemand. Welchen Nutzen solche Ideen für die Allgemeinheit hätten, wenn alle mitziehen würden, interessiert den Egoisten in der Situation auch nicht, denn „es machen ja nicht alle, und solange nur ich sowas tue, wird schon nichts Schlimmes passieren“. Von den Vorteilen würden natürlich alle gerne profitieren, doch auch die Risiken verantwortungsbewusst mitzutragen, kann man scheinbar nicht von einer unüberschaubar großen Gruppe Menschen verlangen.


Links

Zurück zum Inhaltsverzeichnis der eingereichten Essays