Der Klartraum und seine Anwendung

Aus Jugendsymposion
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von Lena, 18. Oktober 2010


Einst träumte Zhuangzi,

daß er ein Schmetterling sei,

ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte

und nichts wußte von Zhuangzi.


Plötzlich wachte er auf:

da war er wieder wirklich und wahrhaftig Zhuangzi.


Nun weiß ich nicht, ob Zhuanzi geträumt hat, daß er ein Schmetterling sei,

oder ob der Schmetterling geträumt hat, er sei Zhuangzi.


Bewusstsein. Dieser Zustand setzt voraus, dass man sich dessen was man tut und wer man ist völlig bewusst ist. Doch wie verhält sich das Bewusstsein während wir schlafen? Nüchtern betrachtet befindet sich der Körper sowie auch das Gehirn in einer Ruhephase, die allenfalls davon unterbrochen wird, dass wir uns unbewusst auf die andere Seite rollen, weil eine bestimmte Pose ungemütlich ist.

Von vielen wird der Schlaf als eine Phase des Unbewusstseins wahrgenommen und tatsächlich ist das auch für viele Menschen Realität. Das einzige was während des Schlafes als Bewusstseinszustand gewertet werden kann, ist der Traum. Hier verarbeitet das Unterbewusstsein Erlebnisse oder Probleme, chiffriert sie in Bildern die jedoch nicht für jedermann verständlich sind. Oft bietet uns das Unterbewusstsein im Traum auch Lösungsvorschläge für Probleme an, die uns im Alltag begleiten. Doch wer hat schon das Erinnerungsvermögen oder das Interesse sich eingehend mit seinen Träumen zu beschäftigen?


Ich möchte mich in meinem Essay einer ganz bestimmten Art von Traum zuwenden, in dem das Bewusstsein eine sehr große Rolle spielt. Dem luziden Traum oder auch Klartraum. Hier verhält es sich nämlich tatsächlich so, dass man sich während des Traumes bewusst ist, dass man sich in einem Traum befindet und folglich auch Einfluss auf das Traumgeschehen nehmen kann. Das Bewusstsein spielt hier eine elementare Rolle, da man es, um in den Klartraum einzutreten, mit in den Schlaf nehmen muss. Viele Menschen träumen luzid ohne es als etwas besonderes wahrzunehmen. Sie genießen es einfach in ihren Träumen umher zu fliegen oder berühmte Persönlichkeiten zu treffen; denn dies ist in der Tat möglich.


Paul Tholey (geb..: 1937, gest.: 1998), ein anerkannter Forscher, der sich speziell mit luziden Träumen beschäftigte, unterscheidet normale Träume von luziden wie folgt:

Der Träumer ist sich darüber im Klaren, dass er träumt.

Der Träumer ist sich über seine Entscheidungsfreiheit im Klaren.

Das Bewusstsein ist klar, es gibt keine traumtypische Verwirrung oder Bewusstseinstrübungen.

Die Wahrnehmung der fünf Sinne ist wie im Wachzustand.

Es besteht Klarheit über das Wachleben, also darüber, wer man ist oder was man sich für den Klartraum vorgenommen hat.

Nach dem Traum gibt es eine klare Erinnerung.

Der Träumer ist sich über den Sinn des Traums im Klaren.


Anhand dieser sieben Merkmale wird also deutlich, dass sich der Klartraum vom Wachzustand nur dahingehend unterscheidet, dass es keine Grenzen gibt, weder physikalische noch zeitliche oder selbst geschaffene. Somit hält diese Art des Träumens für den Menschen mannigfaltige Möglichkeiten bereit, sein eigenes Unterbewusstsein zu erforschen, da er auf Trauminhalte bewusst zugehen und sich aktiv mit ihnen auseinandersetzen kann.

Es ist allgemein anerkannt, dass der sogenannte Placebo-Effekt, bei dem einem Patienten „Leer-Medikamente“ verabreicht werden, oftmals eine bessere Heilwirkung nach sich zieht, als eine langwierige medikamentöse Behandlung. Ähnlich wie der Placebo-Effekt kann ein Klartraum auch wirken. Er suggeriert dem Unterbewusstsein im Schlaf ein Gefühl (z.B Glück oder Wohlbefinden) welches auch im Wachzustand weiter wirken kann. Idealerweise setzt sich der Patient jedoch gezielt mit seinem Problem auseinander, versucht es zu verstehen - und zu lösen. Beides ist im Klartraum möglich.

Manche Ärzte wenden Klarträume bei ihren Patienten als Behandlungsmöglichkeit von Phobien an, indem sie anhand von bestimmten Techniken, die den Klartraum erlernbar machen, diesen den zu Behandelnden vermitteln. So können sich Patienten mit einer Spinnenphobie mit dem Objekt ihrer Angst auseinander zu setzen ohne jedoch unmittelbar in „Gefahr“ zu schweben. Sie können sich also an das Objekt ihrer Angst heran tasten, indem sie mit geträumten Spinnen umgehen und so die Ursache des Problems für sich selbst deutlich machen und bekämpfen.

Auch Albträume können mit Klarträumen erfolgreich umprogrammiert werden. Oft verhält es sich so, dass es ähnliche, wenn nicht sogar gleiche Albträume sind, die uns verfolgen. In einem luziden Traum nun ist es möglich, die Umgebung eines bestimmten Albtraums nach zu empfinden sowie die Gefühle und Ängste, die man damit verbindet. Und doch ist man jetzt in der Lage den Ausgang den Traumes im positiven Sinne zu verändern, da man ja die Macht über den Traum hat und ihn nach seinem Willen steuern kann. Ist das einmal geschehen, ist der Wiedererkennungswert des Traumes sehr hoch und es ist wahrscheinlich dass man beim nächsten Albtraum wieder luzide wird und eingreifen kann. Jedoch soll die Psychotherapie nicht das einzige Anwendungsfeld von Klarträumen bleiben, welches ich hier behandeln will. Ein weiteres Gebiet, welches für viele sicherlich interessant ist, ist der Sport.


Betrachtet man Hochleistungssportler bei der Arbeit wird man mit viel Glück Zeuge des sogenannten „Flow-Zustandes“. Der Sportler scheint schwebend und ohne Anstrengung eine Bewegung durchzuführen die fast schon übermenschlich erscheint. Dies ist der Moment, in dem ein Bewegungsablauf seine vollkommene Perfektion erreicht hat und der oft jahrelange Übung und immer höchste Konzentration voraussetzt.

Dieser mühsam erarbeitete Zustand ist dem eines luziden Traumes nicht unähnlich. Bewegungen greifen fließend ineinander, alles scheint leichter von der Hand zu gehen als man es gewohnt ist. Und hieraus ergibt sich schließlich die Möglichkeit, bestimmte Bewegungen, der Sportler nennt sie „Automatismen“, einzuüben oder einzuschleifen. Natürlich kann man während des Schlafes keine Muskeln aufbauen und man kann im Traum niemals reale Umstände schaffen, die einen Unfall mit einkalkulieren. Was jedoch beim Sport, neben den physischen Voraussetzungen, die wichtigste Rolle spielt ist unser Bewusstseinszustand. Aufgrund von Nervosität und Angst verlieren wir im wichtigsten Wettkampf unseren Flow-Zustand obwohl im Training immer alles funktioniert hat. Besonders starke Emotionen wie Hass, Liebe, Trauer oder Aufregung wirken sich fast immer konzentrationsstörend und muskelhemmend aus. Einige dieser Emotionen, wie die Aufregung, die Angst und Nervosität kann man im luziden Traum abbauen, indem man die Situation, die einen verängstigt programmiert und in diesem Umfeld trainiert. Andere Emotionen sind natürlich einfach zu stark um Einfluss auf sie zu nehmen.

Oft verhält es sich auch so, dass ein Sportler von einem Bewegungsablauf an sich Angst hat. Angst davor zu Scheitern, oder vielleicht auch Angst davor, über sich selbst hinauszuwachsen. Oder er fürchtet sich vor einer Verletzung. Diese Hemmschwelle hindert ihn daran sich weiter zu entwickeln und bedingt oftmals Resignation oder Aufgabe. Ein anderes Problem kann sein, dass ein Sportler einen Automatismus bereits so weit eingeschliffen hat, dass er es nur noch selten schafft eine andere, für Gegenspieler ungewohnte Bewegung zu machen, da er sich zu sehr auf einen einzelnen Bewegungsablauf oder auf eine bestimmte Art von Bewegung fokussiert hat.

Beide Beispiele wirken sich in jedem Fall negativ für den Sportler aus, der aufgrund einer (oft) psychischen Blockade in seiner Form verharrt oder das Training gar aufgibt. Beide kann man jedoch im luziden Traum an- bzw. abtrainieren, da weder die Angst vor sich selbst noch vor Verletzungen relevant ist.

Genau an dieser Stelle setzt man auch an der Sportuniversität in Heidelberg an, wo der Wissenschaftler Daniel Erlacher schon seit Jahren die Möglichkeiten erforscht, die der luzide Traum einem Sportler bereit hält und sein Wissen an die Studenten weiter gibt, die damit ihre sportlichen Leistungen entdecken, ausfeilen und perfektionieren. Das beste Beispiel dafür, wie gut das funktioniert ist wohl der von mir weiter oben erwähnte Paul Tholey. Er lernte im Alter von 38 Jahren Skateboard fahren und nahm bereits ein Jahr später an den offenen Europameisterschaften teil – die er gewann. (Natürlich sollte man anfügen, dass diese Meisterschaften 1975 noch überschaubarer waren, als sie es heute sind). Trotzdem war er in der Lage, seine überwiegend jungen Konkurrenten, die oft jahrelang geübt hatten, zu besiegen.


Der dritte und letzte Punkt, den ich hier behandeln möchte, sind Techniken, die den Klartraum erlernbar machen. Es gibt eine Vielzahl von Techniken, die einen Klartraum induzieren sollen; sie sind jedoch nicht alle gleich wirksam. In den U.S.A forscht man beispielsweise an Elektroschockern, die den Träumer mit sanften elektrischen Stößen darauf aufmerksam machen sollen, dass er sich im Schlaf befindet und es gibt spezielle Augenbinden, die mit Mini LED's den selben Effekt erzielen sollen. Am wirksamsten sind jedoch nicht die Mittel, die taktil, optisch oder auch auditiv wirken, da solche Reize oft einfach in einen normalen Traum mit eingebaut werden, sondern die Techniken, die sich direkt an unser Unterbewusstsein wenden.

So ist es ratsam zunächst einmal die Traumerinnerung zu schärfen. Viele sind der Meinung nicht zu träumen, obwohl Träume in der REM-Phase (Rapid Eye Movement-Phase) auftreten, die jeder Mensch während des Schlafes erlebt. Jeder träumt, aber nicht jeder erinnert sich an seine Träume.

Der erste Schritt zum luziden Traum ist also dem Unterbewusstsein Interesse zu signalisieren. Das macht man, indem man beispielsweise ein Traumtagebuch führt, indem man jeden Fetzen festhält, der einem nach dem Aufwachen im Kopf hängen geblieben ist. Nach 3 Tagen bis zu 2 Wochen sollte die Traumerinnerung besser geworden sein. Bei manchen Menschen reicht dieser Schritt schon aus um einen Klartraum einzuleiten.

Eine andere Möglichkeit sind sogenannte „Realitäts-Checks“ die man anwendet um zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Dies funktionert so, dass man tagsüber fünf bis zehn mal die Wirklichkeit überprüft, möglichst immer mit einer ähnlichen Prüftechnik. Es ist nämlich so, dass Dinge, die wir im richtigen Leben häufiger tun, auch öfter im Traum auftauchen. Der Gedanke, der hinter den Realitäts-Checks steht ist also dieser: dass eine Tätigkeit, die wir im wahren Leben oft ausführen, in den Traum übertragen wird und wir dann luzide werden, weil wir erkennen, dass wir uns in einem Traum befinden. Anhand von Anomalien, die im Traum die Wirklichkeit verzerren kann man so relativ sicher einen Klartraum erleben.


Fünf beliebte Realitäts-Checks:

Uhren-Test: Uhren gehen im Traum oft falsch (verkehrt herum); digitale Uhren zeigen unmögliche Zeiten an

Farb-Test: Traumfarben sind oft unrealistisch (grell, dumpf etc.);

Lese-Test: Versucht ein Buch zu lesen; ergibt es Sinn?

Licht-Test: Lichtverhältnisse lassen sich im Traum oft schwer verändern; versucht einen Lichtschalter zu betätigen

Hand-Test: Betrachtet eure Hände, zählt die Finger, prüft deren Länge, Dicke; im Traum hat man oft zuviele Finger, die vor den Augen verschwimmen


Diese Technik ist natürlich etwas zeitaufwändiger und setzt Disziplin voraus, da man jeden Tag konsequent Realitätschecks durchführen muss.


Die letzte Technik, die ich kurz vorstellen möchte, ist die Suggestion.

Stellt euch kein rotes Auto vor. Und?

Jeder kennt natürlich diese Art von Test und jeder hat wahrscheinlich an ein rotes Auto gedacht. Dahinter verbirgt sich, dass das Unterbewusstsein keine negativen Befehle ausführen kann.

Deswegen sollte man wichtige Vorhaben auch nie in der verneinten Form denken. (Hoffentlich passiert … nicht etc.) Umgekehrt reagiert das Unterbewusstsein aber sehr wohl auf direkte, positive gestellte Fragen oder Befehle. So kann man sich etwa ganz konkret vorstellen, was man heute Nacht in einem luziden Traum erleben will, sich die Szenerie bis zum kleinsten Detail vorstellen. Wenn der Befehl oder der Wunsch stark genug ist, sollte man auch mit der Suggestion bald Erfolge haben.


Wie ich nun hoffentlich lebhaft vermitteln konnte, sind Träume alles andere als Schäume, wie man so gerne sagt. Sie lassen uns in uns selber blicken, helfen uns Rätsel zu lösen und unsere eigenen Grenzen zu überschreiten und können sogar eine heilende Wirkung haben, die aus uns selbst schöpft.

Auch J.R.R Tolkien, der Autor des „Herr der Ringe“, war ein Klarträumer, und die Welt, die er in seinen Büchern entwirft, gibt uns ansatzweise eine Vorstellung dessen, was ein luzider Traum erschaffen kann. Er kann uns zeigen, welches Potential in uns schlummert.


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