Der Fügel und die Lokomotive

Aus Jugendsymposion
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von Maximilian Ammer, 5. April 2010


In diesem Aufsatz möchte ich, an einem kleinem Beispiel, zeigen, wie oft geschichtliche Vorgänge und Entwicklungen auf verschiedensten Bereichen des Lebens, die wir normalerweise trennen, gegenseitig Auswirkungen haben. In diesem Falle soll es um die gleichzeitige Entwicklung des modernen Flügels und der Lokomotive gehen bzw. um den Enfluss der Industrialisierung auf die Musik.

Zuerst möchte Ich jedoch anmerken, dass die Überlegungen zum Flügel und der Industrialisierung durch Gespräche mit meinem Vater und seiner Arbeit und Forschung als Klavier- und Cembalobaumeister angeregt wurden. Außerdem sei es mir verziehen, dass Ich die geschichtlichen Hintergründe in sehr groben und verallgemeinerten Zügen darstellen werde um nur die wesentlichen Aspekte sichtbar zu machen.

Der Hammerflügel, als Vorläufer des modernen Flügels, entstand um 1790 in Mittel- und Ostdeutschland aus dem Versuch ein Hackbrett zu mechanisieren und löste bald, in Wien weiterentwickelt, das Cembalo als populärstes Tasteninstrument ab. Während z. B. Bachs Werke noch komplett auf einem und für ein Cembalo enstanden, komponierten Mozart und Beethoven bereits auf einem Hammerflügel. Zu dieser Zeit waren die Flügel noch sehr filigran und dem Cembalo ähnlich gebaut. Sie wurden komplett aus Holz gefertigt und mit Furnier und Schnitzereien verziert. Im Gegensatz zu den sehr schweren, mit einer Gusseisenplatte versehenen und schwarz lackierten modernen Flügeln wie wir sie heute kennen. Die Entwicklung zum modernen Flügel zog sich bis ca. 1900 hin und bedeutete eine immer massivere Bauweise mit immer mehr eisernen, verstärkenden Elementen. Ein Grund dafür lag zum Einen in den immer größer werdenden Konzertsälen, die ein lauteres Instrument und somit einen höheren Saitenzug, erforderten. Zum Anderen wurde diese Fertigung, z.B. der Gusseisenplatten , auch erst durch die Erfindungen der Industrialisierung ermöglicht.

Hinter all dem steht jedoch auch ein gesellschaftlicher Wandel, der zuerst einmal nicht viel mit Musik zu tun hat: die Entstehung bzw. die Entfaltung des Bürgertums.

Mit dem Verschwinden der Ständegesellschaft und den aufkommenden Ideen von der Gleichheit der Individuen, veränderte sich auch etwas an der Stellung und Art der Musik. Im feudalistischen Mittelalter und bis in den Barock, wo jeder seinen Platz in der Gesellschaft hatte und kannte, war die damals zeitgenößische, moderne Musik den obersten beiden Ständen, dem Adel und dem Klerus, vorbehalten. Außerdem war sie streng geteilt in kirchliche Musik, wo auch das einfache Volk Anteil haben konnte, und die weltliche Musik, die hauptsächlich an den königlichen und fürstlichen Höfen gepflegt und praktiziert wurde.

Als sich diese Strukturen jedoch langsam auflösten, sich die bürgerliche Schicht durchsetzte und der Gedanke der Demokratie aufkam, verlagerte sich auch das musikalische Geschehen von den Adelshöfen in öffentliche Konzertsäle und die Wohnzimmer der wohlhabenden Fabrikanten und Händler. Die Kompositionen wurden veröffentlicht und zuhause nachgespielt. Somit mussten sich auch die Instrumente verändern. Von reich verzierten Luxusanfertigungen des Adels hin zu industriell gefertigten, schlichten Gebrauchsgegenständen für jedermann. Kein Wunder also, dass sich der Flügel bei der Herstellung und in seinem schwarz lackierten Äußeren immer mehr der Lokomotive annäherte.Nicht nur der Instrumentenbau, natürlich auch die Musik selbst veränderte sich. Betrachtet man, einmal abgesehen von den stilistischen Entwicklungen, z.B.allein die Stimmung der Instrumente:

Im Mittelalter bis in den Barock hatte jeder Fürstenhof seine, jede Region ihre eigene Stimmung d.h. bestimmte Intervalle und Tonarten wurden präferiert z.B. war die Terz sehr wichtig als Symbol der heiligen Dreifaltigkeit. Also gab es, wie in der Gesellschaft, eine Hierachie ; manche Intervalle wurden auf Kosten anderer rein gestimmt. Als, beginnend mit der französichen Revolution, Gedanken von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit um sich griffen, geschah dies auch in der Musik. Die bis heute gültige „Gleichschwebende“ Stimmung wurde eingeführt. Hierbei wird jeder Ton etwas unrein gestimmt um schließlich 12 Halbtöne in eine Oktave zu bekommen; alle Töne sind gleichberechtigt.

Man sieht also deutlich Instrumentenbau und technische Entwicklung, Musik und Veränderungen des Menschenbildes, Kunst und gesellschaftliche Umbrüche haben gegenseitige Auswirkungen bzw. bedingen sich in einer gleichzeitigen Entwicklung.

Es lassen sich sicherlich noch viele ähnliche Beispiele finden z.B., um bei der Musik zu bleiben, der Einfluss des Computers auf die Popmusik und viele mehr. Doch meiner Meinung nach kommen solche Zusammenhänge in unserem heutigen Geschichtsbewusstsein und -unterricht zu kurz. In unserer Zeit, in der die Trennung der Wissenschafts- und Studienzweige immer weiter voranschreitet, jeder sich spezialisiert und es schier unmöglich geworden ist, anders als noch vor 200 Jahren, als einzelne Person sich einen Überblick über die wissenschaftliche, politische und kulturelle Welt zu verschaffen finde Ich es wichtig auf diese Verstrickungen aufmerksam zu werden und sich Gedanken zu machen inwiefern man daraus Schlüße für die Gegenwart ziehen könnte.

Wie beeinflusst die Entwicklung der (Unterhaltungs)Technik unsere Kultur?

Welche Auswirkungen haben politische Entscheidungen auf die Kultur (z.B. die Öffnung der EU in Richtung der islamischen Welt bzw. der Türkei)?

Inwiefern ist die zeitgenössische Kunst oder Musik noch Ausdruck unseres Zeitgeistes oder unseres Menschenbildes?

Oder (um zum Thema des letzten Jugendsymposions zurück zu kehren): Kann man geschichtliche Wirklichkeit erfahren, ohne eine gesamtheitliche Betrachtung der damals herrschenden Umstände auf allen Gebieten des Lebens anzustellen?

Wie können wir etwas über unsere aktuelle Wirklichkeit erfahren bzw. was können uns Kunst, Musik, Literatur über unsere Wirklichkeit mitteilen? Etc. etc.

Über alle diese Fragen könnte und müsste man jeweils einen eigenen Essay schreiben, mich hatte nur dieses Beispiel vom Flügel und der Lokomotive beeindruckt und aufmerksam gemacht, sodass ich nun diesen kleinen Aufsatz schrieb.


Maximilian Ammer


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