25. Kasseler Jugendsymposion »Sensus Communis«: Unterschied zwischen den Versionen

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<br>Vortrag: Wo steckt der Gemeinsinn im Recht?
 
<br>Vortrag: Wo steckt der Gemeinsinn im Recht?
  
Am Samstagabend besuchen wir das Kasseler Staatstheater, wo wir nach einer Einführung das Theaterprojekt "Grimm. Ein deutsches Märchen" sehen werden. Weitere Infos siehe hier:
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Am Samstagabend besuchen wir das '''Kasseler Staatstheater''', wo wir nach einer Einführung das Theaterprojekt "Grimm. Ein deutsches Märchen" sehen werden. Weitere Infos siehe hier:
 
https://www.staatstheater-kassel.de/play/grimm.eindeutschesmaerchen-2613
 
https://www.staatstheater-kassel.de/play/grimm.eindeutschesmaerchen-2613
  

Version vom 5. Mai 2022, 12:47 Uhr

Das 25. Kasseler Jugendsymposion »Sensus Communis« wird pandemiebedingt auf den Termin 9. bis 12. Juni 2022 verschoben.


Foto: zach/photocase.de

In ihrem Fragment zum Urteilen setzt sich Hannah Arendt mit Kants Auffassung von der menschlichen Urteilskraft auseinander und definiert dort die Menschen als Wesen, die – mit einem sensus communis, einem Gemeinsinn, ausgestattet – ihre Urteile nicht nur für sich allein, als autonome Individuen, sondern gemeinsam mit ihren Mitmenschen im Diskurs ausbilden. Dies scheint angesichts der gegenwärtig sich häufenden Diskussionen um die öffentliche Meinungsbildung insofern bedeutend, als zweifellos das Anrecht auf die Bildung und öffentliche Äußerung einer eigenen Meinung jedem Individuum zukommen muss, diesen individuellen Äußerungen jedoch erst im Rückbezug zur Lebenswelt, unter Anwendung von Wahrheitspraktiken und in der Bezugnahme auf andere Positionen die Qualität eines fundierten Urteils zukommt. Dabei ist Wahrheit in diesem Verständnis keine metaphysische, sondern eine in der Gemeinschaft kommunizierte und diskutierte Kategorie. Der sensus communis in diesem Sinne zielt daher nicht auf kollektive Identität, sondern auf die Notwendigkeit, Gemeinschaft im Diskurs der Vielfältigkeit (Ambiguität)entstehen zu lassen. Der Philosoph Michael Hampe sieht in seinem Plädoyer für eine dritte Aufklärung die Notwendigkeit, zur Bewältigung der humanitären, sozialen und ökologischen Herausforderungen über die emanzipatorischen Ziele zur Realisierung des Selbst hinaus eine Kultur des Austausches zu beleben, in der sich Menschen als aktive Teilnehmer und Teilnehmerinnen ihrer Welt verstehen, die Gewalt, Grausamkeit und Illusion zurückdrängen und ihre Verantwortung in globaler und menschheitlicher Dimension begreifen. Hampe tritt im Sinne der Aufklärung für eine Ethik ein, die Zukunft als offenen Möglichkeitsraum begreift, der – ohne festschreibende Metakonzepte – in vielfältiger Weise, aber ausgehend einem auf Wahrheit ausgerichteten Austausch gestaltet werden kann.

Ein zentrales Verdienst der ersten Aufklärung im 18. Jahrhundert ist die Formulierung unhintergehbarer Individualrechte. In offenen Gesellschaften wurde daraus einerseits der Wert konsequenter Selbstbestimmung (Gender, Kulturzugehörigkeit, berufliche Realisierung etc.), andererseits aber auch ein Anrecht auf exklusive Selbstverwirklichung (Chancenoptimierung, Karriereplanung, Selbstbehauptung im ökonomischen Konkurrenzkampf etc.) abgeleitet. Gerade diese liberalistische Interpretation der Individualrechte scheint vielfach durch die Klimakrise, durch die Verteilungskrise, durch asymmetrische Kriege, durch die Ökonomisierung sozialer Dienstleistungen, durch ungleiche Partizipation an Bildung, aber auch durch eine schwindende Identifikation mit dem Gemeinwohl in Frage gestellt. Insbesondere die Klimakrise und die durch die Corona-Pandemie endgültig zum Vorschein kommende Krise unserer Sozialsysteme machen deutlich, dass die emanzipatorischen Bestrebungen bzw. die ideellen Selbstkonzepte erweitert werden müssen, da durch einen einseitig exklusiven Individualismus auch die außermenschlichen Rahmenbedingungen für die individuelle Selbstrealisierung gefährdet werden. Ein in diesem Sinne erweiterter Begriff von Gemeinsinn schließt demnach nicht nur die Sozialität des Menschen, sondern auch die ihn umgebende Welt, die Biosphäre, den Artenschutz, das Tierwohl sowie die Gestaltung des Lebensraums mit ein. Einen in diesem umfassenden Verständnis definierten Gemeinsinn in seinen Facetten zu diskutieren ist Anliegen des 25. Kasseler Jugendsymposions.


Plenarvorträge


Prof. Dr. Michael Zech
(Lehrerseminar Kassel; Alanus Hochschule Alfter)
Vortrag: Egoität und Gemeinwohl – Kosmopolitismus, peripheres Bewusstsein und atmosphärische Beziehung

Fabian Scheidler
(Autor, Dramaturg und Philosoph)
Vortrag: Warum wir Natur und Gesellschaft neu denken müssen

Hilal Sezgin
(Tierrechtlerin, Autorin, Philosophin)
Vortrag: Tiere haben Rechte. Warum wir mehr (als) Tierschutz brauchen

Julia Erdmann
(Architektin und Stadtgestalterin, Gründerin von »JES Julia Erdmann Socialtecture«)
Vortrag zu städtebaulichen Leitbildern

Ole Nymoen
(Journalist und Autor; Podcast »Wohlstand für alle«)
Vortrag: Was ist sensus communis?

Katrin Lehmann
(Vorsitzende Richterin am Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel)
Vortrag: Wo steckt der Gemeinsinn im Recht?

Am Samstagabend besuchen wir das Kasseler Staatstheater, wo wir nach einer Einführung das Theaterprojekt "Grimm. Ein deutsches Märchen" sehen werden. Weitere Infos siehe hier: https://www.staatstheater-kassel.de/play/grimm.eindeutschesmaerchen-2613

Bewerbung und Anmeldung


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Das 25. Kasseler Jugendsymposion »Sensus Communis« wird pandemiebedingt auf den Termin 9. bis 12. Juni 2022 verschoben.

Essaythemen


Thema 1:

Die Philosophin Martha Nussbaum bezieht in die Fähigkeit, Kosmopolit*in zu sein, nicht nur den Menschen im engen Sinne ein: „Alle mit Empfindung begabten Wesen streben danach sich zu entwickeln, und alle diese Formen erwecken Staunen, Respekt und Ehrfurcht. […] Es scheint falsch, Würde in unserer eigenen speziellen Art von tierischer Lebensform zu sehen, in der anderer Tiere dagegen nicht.“ (Martha Nussbaum: Kosmopolitismus. Revision eines Ideals. Darmstadt 2020, S. 314)
Haben Tiere ein spezifisches Tierwohl oder sind sie in das Gemeinwohl unmittelbar einzubeziehen?


Thema 2:

Die Emanzipation des Individuums ist die dominante Leitidee der westlichen Zivilisationen. Gemeinwohl bzw. Gemeinsinn wurden aus dieser Perspektive ökonomisch und politisch lange Zeit eher nachrangig als Sozialromantik abgetan. Ökologische Krisen und soziale Not stellen diese Bewertung in Frage. Lässt sich aus dem Individualitätsverständnis ein sensus communis überhaupt schlüssig ableiten?


Thema 3:

„Das größte Problem ist, dass die neoklassische Volkswirtschaftslehre den Kapitalismus […] naturalisiert. Da hat der eine Kapital und der andere bietet seine Arbeitskraft an, und das wird als das Natürlichste von der Welt dargestellt. Doch das ist pure Ideologie.“ äußert Ole Nymoen in einem Interview mit der Tageszeitung „taz“ und kritisiert damit die neoliberale Ideologie, wonach wirtschaftliche Prozesse wie unabänderliche Naturphänomene behandelt werden, denen sich die Gesellschaft zu fügen habe. – Wie ist Wirtschaft ausgehend vom sensus communis zu denken und nicht von vermeintlichen ökonomischen Sachzwängen? Beziehen Sie in Ihre Betrachtungen mit ein, was aus Ihrer Sicht konkrete Ansatzpunkte für ein humanes Wirtschaften sein könnten oder sind.


Hinweis zum Verfassen eines Essays:
Da in den letztens eingereichten Essays zum größeren Teil die Kriterien zum Verfassen eines essayistischen Textes sehr frei interpretiert bis gar nicht beachtet wurden, haben wir die Anforderungen kurz zusammengefasst, mit der Bitte an die Verfasser, sich daran zu orientieren:
Die Bearbeitung der Themen soll grundsätzlich auf Selbstbeobachtung bzw. konkreter Erfahrung aufbauen. Interessant an einem Essay sind weniger allgemeine Erwägungen, als eine pointierte, individuelle Sichtweise auf ein Thema. Der Essay ist ein subjektiv reflektierender Text, der aus den unterschiedlichsten Bereichen stammen kann. Eine genaue Definition ist aufgrund der offenen und freien Schreibform schwierig. Ein Essay enthält erörternde, oft aber auch beschreibende, schildernde, erzählende, sogar poetische Passagen. Der Essay stellt eine begründete Haltung zu einem Thema dar, ist aber in der Form und Gedankenführung freier, assoziativer und kreativer als die Erörterung. Wissenschaftliche Systematik und Vollständigkeit sind nicht erforderlich, wichtiger sind interessante eigene Denkanstöße, die sich oft an konkreten Erfahrungen entzünden. Die Sprache ist lebhaft und engagiert, kann auch pointiert und zuspitzend oder sogar ironisch-satirisch sein.


Das vollständig ausgefüllte Deckblatt zum Essay mit Schulstempel und Unterschrift von Ihrem Kontaktlehrer und ggf. von einem Erziehungsberechtigten! (Unterschriften und Stempel entfallen für Schulabsolventen). Download Deckblatt

Das ausgefüllte Deckblatt zum Essay und Ihren Essay selber senden Sie bitte gemeinsam mit der Post an folgende Adresse:

KASSELER JUGENDSYMPOSION
Brabanter Straße 30
34131 Kassel

Informationen


Das 25. Kasseler Jugendsymposion »Sensus Communis« wird pandemiebedingt auf den Termin 9. bis 12. Juni 2022 verschoben.