1-S07 Philosophische Anthropologie

Aus Jugendsymposion
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Kursleiter/in: Rita Schumacher und Florian Stille

Wir näherten uns dem Thema: »Verhältnis zwischen Mensch und Wirklichkeit« als einen Versuch des Menschen sich selbst zu verstehen und sein Verhältnis zur Welt zu begreifen. Im Anhang an den Begrüßungsvortrag von Herrn Sommer, beschäftigten wir uns mit den Sichtweisen Primat des Objekts, Primat des Subjekts und dem Embodied Mind.

Primat des Objekts steht für die Betrachtung des Nicht-Ichs bzw. eines Gegenstands oder einem Ding. Es bedeutet den Vorrang der Objektwelt in der modernen Wissenschaft, indem man nur das Körperliche untersucht, alles Geistige ist untergeordnet oder spielt keine Rolle, der Mensch ist lediglich die Summe seiner Gene und aller chemischer Zusammenhänge. Diese Ansicht basiert auf dem naiven Realismus und wurde im Zusammenhang mit der Wissenschaft zur Neurologie. »Mit einem Blick den Menschen erkennen«, ist eine Denke, die diese vertritt. Demnach wird das Gehirn zum Objekt. Das heißt, dass jede Art von Gefühlen und Gedanken nur eine elektrische Reaktion von Gewittern im Gehirn sind. Das Ich existiert somit nicht mehr oder wie Julien Offary sagte: »l´homme machine«. In Rollenspielen haben wir spielerisch dargestellt, wie der Mensch in Zukunft behandelt wird, wenn man vom Primat des Objekts ausgeht. Dabei entstanden lustige Szenen, die für allgemeine Freude sorgten. Es war bezeichnent, dass jeder lachen musste, wenn die Abhandlung ins Absurde ging. Da die Geschichten, wie man den Menschen nur durch einen Blick in den Kopf erkennen soll dermaßen absurd klangen, dass man nicht anderes konnte als zu lachen.

Das Genaue Gegenteil des Primat des Objekts ist das Primat des Subjekts. Durch Kant kam Gottlieb Fichte zu einer Sichtweise, die wir behandelt haben: Kant spricht in seinen Werken von dem Subjekt, das das »Ding an sich« wahrnimmt. Wir, das Subjekt können nicht wissen, wie das Ding wirklich ist, nur dass, was unser Wahrnehmungsapparat uns suggeriert. Alles ist eine Illusion und wir leben somit in einem Bewusstseinsgefängnis.

Johann Gottlieb Fichte stellt sich gegen das Modell Kants, er glaubt nicht, dass das Subjekt in einem Bewusstseinsgefängnis sitzt und alle Wahrnehmung nur Illusion sein soll. Wir haben uns also als Gegenpol den Text »Über den Begriff der Wissenschaft« von Fichte vorgenommen. Er suchte nach einer Basis, von der aus man die Welt begreifen und erklären kann und knüpft somit an den Leitspruch des ersten Jugendsymposions an: »Gebt mir einen festen Punkt im All und ich heble euch die Welt aus den Angeln.«

Primat des Subjekts steht für die Betrachtung des Ich bzw. des Geistes, der Seele, dem Inneren. Der wichtigste Ausgangspunkt der Welt ist der Mensch, in ihm spiegelt sich alles wieder. Es ist auch eine Art ausgeprägter Idealismus, in dem der Mensch Sicherheit für die Erkenntnis in sich sucht. A=A sagt uns, ich bin ich, weil ich bin. Das Ich ist die Kraft, die das Ich setzt. Also heißt es, dass das Ich sich selber schafft. »Das Ich ist Kraft, der ein Auge eingesetzt ist« (Fichte). Fichte sagt, dass das Ich, die Kraft sich selber setzt. Durch den Körper wird die Kraft zum ich bzw. zum Menschen. Fichte sagt somit, dass das Ich sich seine eigene Welt schafft und alles was sie beinhaltet.

Diese Sichtweise hingegen stieß in der Gruppe auf folgende Bedenken: Ist es nicht ein wenig überheblich und dramatisch, wenn man dem Ich bzw. dem Menschen so eine Macht zu spricht? Und wie soll ich als Ich alles um mich schaffen? Dann habe ich ja auch Sie geschaffen.

»Emobdied mind« auf Deutsch »verkörperter Geist« ist eine Verbindung aus den beiden Sichtweisen, Prima des Objekts und Primat des Subjekts. Als Literaturbasis nahmen wir einen Text von Schiller, aus dem Buch »über die ästhetische Erziehung des Menschen«, den »elften Brief«. In dem Brief steht, dass der Mensch einen sich verändernden Zustand und eine unveränderliche Person in sich trägt. Die Person ist das Göttliche in uns und währt ewig. Der Zustand ist die Natur und mit der Zeit die Veränderung. Beide, uns innewohnende Aspekte wirken miteinander. Der Mensch ist die Person, die sich in einem bestimmten Zustand befindet, und jeder Zustand resultiert aus der Zeit, somit auch der Mensch. Demnach ist der Mensch in seiner Vollendung die beharrliche Einheit, die in den Fluten der Veränderung gleicht bleibt. Aus Schillers Text entstehen zwei Anforderungen an den Menschen, die unter dem Begriff sinnliche-vernünftige Natur stehen. Er soll seine inneren Anlagen nach außen bringen, um die formlose Zeit zu Formen und gestalten. Zum Anderen soll er seine inneren Anlagen nach außen bringen, wenn sie nur formlose Zeit sind. Das heißt, dass er mit dem Geiste in sich, den äußeren Körper formen soll und den formlosen Geist nach außen bringen soll, damit der vom Geiste zum Körper geformt wird. Somit macht der Mensch seinen Körper zum Resultat seines Geistes und dessen Eigenschaften.

Der Kurs »Philosophische Anthropologie« war mit seinen Themen sehr spannend und kompakt. Durch die wenige vorhande Zeit gab es in den Treffen ein gebündeltes Interesse, der von uns angeschnittenen Themen, welche noch darüber hinaus viel Raum für Diskussionen bot und jede Menge Möglichkeiten, sich selber damit auseinander zu setzt. So entstanden in den Pausen Gruppen von Schülern aus unterschiedlichsten Gruppen, die sich begierig über die neuen Erfahrungen austauschten. Die vorgelegte Literatur war anspruchsvoll, aber durch das gemeinsame Lesen und Diskutieren gut verständlich. Die Gruppe war von einer herrlichen Arbeitsatmosphäre umgeben, wie auch das gesamte Symposion, da jeder ein großes Interesse mitbrachte. Die Freunde am Symposion teil nehmen zu können und die große Erwartung, was einem wohl begegnen wird, wurden in keiner Weise betrübt. Es war eine große Freude mit allen anderen diese Vielzahl von neuen Erfahrungen zu sammeln und weitere Denkweisen kennen zu lernen. Ich denke, dass keiner dieses Erlebnis missen möchte. Ich hoffe innigst, dass auch das zweite Symposion so ein Erfolg wird.

Vielen Dank,

Tom-Lucas Frantzen

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