Wirklichkeit – eine philosophische Betrachtung

Aus Jugendsymposion
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von Simon Holst, 30. März 2010


Als (Neu-) Bewerbung für das zweite Kasseler Jugendsymposion im Juni 2010


„Nur wenn wir Wirklichkeit erfassen sind wir handlungsfähig“. So hieß es in der Beschreibung zum ersten Kasseler Jugendsymposion im Dezember 2009. Man könnte meinen, um diesen Satz zu verstehen, müsse man den Begriff „Wirklichkeit“ definieren. Doch ist nicht jeder Essay, der dies versucht zum Scheitern verurteilt? Ich denke schon, denn so wie ich es verstehe, ist Wirklichkeit etwas, das man während seines ganzen Lebens versucht zu ergründen, etwas, das man nicht definieren kann. Ein Essay über „die Wirklichkeit“ kann also ein Schritt auf dem Weg des Ergründens der Wirklichkeit sein, der uns ihrer Bedeutung näher bringt. Und ein solcher Schritt mag nun nicht mehr als von Vornherein zum Scheitern verurteilt erscheinen.


Wo erleben wir Wirklichkeit?

Sind es die Momente, in denen wir gedankenlos über den Sitz in der Straßenbahn streichen, ist es die Freude über einen Brief, den man bekommt und bei dem man merkt, dass nicht nur Worte auf dem Papier stehen sondern mehr hinter den Zeilen steckt?

Ich persönlich erlebe Wirklichkeit in den Situationen, in denen ich nicht nachdenken muss, was ich tun soll, in denen etwas einfach so passiert, wie es in diesem Moment passieren soll. Auch die Momente, in denen man sich nicht authentisch einer Situation stellt, sondern durch Konventionen geprägt auftritt und so das, was an dieser Stelle entstehen könnte nicht ganz zulässt, sind Wirklichkeit. Sie sind ja in diesem Augenblick real. Doch das Wort „Realität“ scheint sie besser zu kennzeichnen. Wirklichkeit, so wie ich sie verstehe ist wohl eher Authentizität, Wahrheit.


Ist Schein wirklichkeitsbildend?

Viele Situationen, die wir erleben sind von trügerischem Schein. Unzählige Menschen verstecken sich hinter einer Fassade von Schein oder errichten mit ihren Äußerungen eine Scheinwelt. Sie wird als Wirklichkeit empfunden, solange sie nicht durchschaut wird. Sobald er die Scheinwelt durchschaut, ist kaum ein Mensch mehr in der Lage, eine solche Situation wirklich zu genießen.

Ist es also besser, sich den oberflächlichen Erlebnissen hinzugeben, die heutzutage an jeder Ecke zu bekommen sind, da man wenn man sie nicht hinterfragt ja scheinbar „Wirklichkeit“ erleben kann? Und handelt es sich bei den Menschen, die sich mit einer Scheinwelt umgeben um glücklichere Menschen, weil sie viel mehr Wirklichkeitserlebnisse haben? Ich glaube nicht, denn diese Erlebnisse sind kaum tiefgründig. Situationen hingegen, die von einer tiefen Wahrheit sind, werden von uns als viel tiefgehender erlebt, als - um ein plakatives Beispiel zu nennen – eine oberflächliche Fernsehshow.


Die Wirklichkeit in der Begegnung

Jeder Mensch denkt die Welt anders. Er hat eigene, für ihn besondere Eindrücke von ihr und seinen Mitmenschen. Wenn sich Menschen begegnen, treffen diese unterschiedlichen, von den einzelnen Personen empfundenen Wirklichkeiten aufeinander. Eine gemeinsam erlebte, geteilte Wirklichkeit ist also nicht vorhanden, könnte man meinen. Doch es scheinen genau die Begegnungen zu sein, bei denen die Gedanken von Personen verschmelzen und im Gespräch gemeinsam eine neue Ebene und neue Erkenntnis erreicht werden, in denen (geteilte) Wirklichkeit erfahrbar ist. Erinnern Sie sich nur an das letzte intensive Gespräch, das Sie geführt haben und bei dem am Ende eine Erkenntnis stand, die Sie alleine nicht hätten erreichen können. Haben Sie in diesem Gespräch Wirklichkeit empfunden?

Für mich bieten ehrliche, offene Begegnungen eine wahre Fundgrube an Wirklichkeitserlebnissen und so schließt sich für mich an dieser Stelle der Kreis. Das Thema „Wirklichkeit“ scheint nicht nur oberflächlich Thema des vergangenen Jugendsymposions in Kassel gewesen zu sein. Aus Berichten wird deutlich, dass hier wirkliche Begegnungen möglich waren und so jedem Teilnehmer zeigten, wie sich Wirklichkeit anfühlen kann und was sie für Potenziale bietet. Ich bin neugierig auf solch wirkliche Erlebnisse und Begegnungen und möchte mich deshalb für einen Platz beim zweiten Kasseler Jugendsymposion bewerben.


Simon Holst


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