Wirklichkeit – Was ist das?

Aus Jugendsymposion
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von Marco Reusch, 28. Februar 2010

Liebe Leserin,
Lieber Leser,

in dem folgenden Essay will ich Teile,Thesen, Gedanken sowie Überlegungen und Fragen aus meinem Seminar, den Vorträgen, den Nachtcaffes, dem Leben rund um das Kasseler Jugendsymposion, speziell zum Thema Wirklichkeit, sowie der Aufnahme und der Verarbeitung der Themen in der Schule aufgreifen und versuchen sie zu veranschaulichen. Das Essay entspricht meiner Wahrnehmung und muss nicht die Wahrheit oder gar Realität sein.

Vor allem möchte ich Sie aber bitten sich mit den Fragen, die sich mir aufgetan haben kritisch zu beschäftigen - besonders wenn sie am letzten Symposion mitgewirkt haben, in welcher Art auch immer. Ich möchte außerdem versuchen Denkanstöße zu geben - Urteilen sollen Sie selbst! Ich habe mein Ziel erreicht, wenn sie nach dem Lesen des Essays mit mehr Fragen durch die Welt wandeln als zuvor und vielleicht sogar ein paar schlaflose Nächte haben, um sich mit den Kernthemen auseinanderzusetzen. Keine Angst, es wird Ihre "Welt" nicht von heute auf morgen verändern. Vielleicht auch gar nicht. Vor allem aber dann nicht, wenn keine offene Auseinandersetzung mit dem Thema stattfindet oder stattfinden kann. Aber vielleicht gibt es ja den ein oder anderen Punkt, an dem sie sagen: "Oh, stimmt, so habe ich das noch gar nicht betrachtet, vielleicht ist da was dran." Und ab diesem Moment ging es mir zumindest so, dass es anfing zu rattern ein Gedanke nach dem anderen kam mir und man will gar nicht mehr aufhören daran weiterzudenken.

Es war ein regnerischer Tag, der 10. Dezember 2009. Ich saß noch in Gedanken verloren im Zug und überlegte mir, was wohl in den nächsten Tagen auf mich zukommen wird. Wie sind die Leute dort? Was ist das Überhaupt, ein Jugendsymposion? Wie läuft der Tag ab und so weiter...

Als der Zug nun den Kasseler Bahnhof erreichte stieg ich mit den Teilnehmern meiner Schule aus und ging Richtung Ausgang wo, wie angekündigt Schüler aus Kassel warteten, um uns in Empfang zu nehmen und freundlich den Weg zu weisen. Nach der Einrichtung in der Jugendherberge hieß es schnell ins Haus der Kirche zu gelangen, da der Einleitungsvortrag in Kürze starten wird. Nach einer berauschenden Begrüßung ging nun Wilfried Sommer zum Rednerpult und hielt seinen Vortrag vor den vielen vielen Waldorfschülern, die alle gespannt lauschten und erstaunlicherweise leiser waren als eine einzige oder meine Klasse, auch wenn der Stoff interessant ist. Mit dem Vortrag versuchte Wilfried Sommer der Wirklichkeit auf den Grund zu gehen oder besser gesagt uns die heutigen Wirklichkeitsüberlegungen schmackhaft zu machen, was ihm bei mir und ich glaube nicht nur bei mir, gelang.


Ja nun schon die erste Frage.
Was ist Wirklichkeit?
Ist es wirklich, dass der Apfel rot ist? Oder ist dies nur eine Wahrnehmung die wir so gesagt bekommen, sei es durch Eltern, der Oma oder anderen in Kindesjahren an Autorität großen Personen und wir prägen uns dies ein. Oder sehen nur wir Menschen, dass der Apfel Rot ist? Vielleicht ist er ja gar nicht rot?

Und dann die zuerst bittere Erkenntnis, mit der ich mich zumindest nicht sofort abgeben konnte, dass wir Menschen dies vermutlich nie wissen oder besser gesagt verstehen werden. WAS die Wirklichkeit oder gar die Realität tatsächlich ist. Wir haben den Drang dies zu erforschen es wissen zu wollen und wir kommen durch immer kleinere Schritte und Erkenntnisse in der Forschung immer weiter und zerlegen jedes Teil in einzelne Teilchen, Quanten oder Atome. Aber ist es dann noch der Apfel? Wenn wir noch Vitamin C vor uns haben und ein Apfelatom wie ich es jetzt einfach einmal nennen will? Anscheinend nicht, da dies zusammen den Apfel niemals ersetzen kann, was sich aus zahlreichen Studien und eigenen Erfahrungen nicht nur mit dem Apfel sofort bestätigen lässt. Aber warum? Nur dies haben wir doch im Apfel gefunden.

Und das ist der Knackpunkt: Wir müssen den Apfel als ganzes betrachten, so auch Peter Dürr in seinem Vortrag. Sobald etwas in einzelne Teile zerlegt wird ist es nicht mehr das, was es einmal war. Ich kann doch auch den neuen, tollen Computer nicht auseinander bauen, ihn dann in Einzelteilen vor mir liegen haben und mich wundern, warum er nicht mehr funktioniert. Es ist doch noch alles vom Computer da, was da war, also ist es doch auch ein Computer der funktioniert... - oder etwa nicht? -

Beim Apfel hat man vergessen, dass er einen langsamen Werdegang vor sich hatte. Zuerst die Bestäubung der Blüte, das Bilden der Frucht und dann die lange Reifezeit durch die Einwirkung der Sonne, des Regens und noch vieles mehr. Und scheinbar ist es genau das, was den Apfel so gesund macht.

Ganz nach dem englischen Sprichwort: "An apple a day keeps the doctor away"

Aber niemals würde die alltägliche Vitamin-C Brausetablette, genüsslich zum Frühstück genossen, diesen Apfel ersetzen, geschweige denn den Gang zum Doktor aus der Welt schaffen.

Und warum? Weil der Apfel zerlegt wurde und ebenfalls hier nicht als ganzes angesehen wurde wie er ist und was er in diesem Fall war.


Aber wie können wir es schaffen, dass alle auf diese Art und Weise denken können. Dass alle diese Erfahrungen haben erleben können?

Müssen wir alle Menschen einer Gehirnwäsche unterziehen, nach der sie nichts mehr wissen und von den führenden Professoren eingetrichtert bekommen, wie die Welt tatsächlich funktioniert? Oder kann man sie nicht einfach in ihrem Glauben weiter leben lassen und heimlich im Kämmerchen an der Welt weiter forschen und sich denken: "Ich bin ja viel schlauer als ihr, aber ich sag´s euch nicht, da ihr es sowieso niemals verstehen werdet." - eine sehr bequeme Lösung, die bestimmt so mancher Wissenschaftler bevorzugen würde.-

Aber nein, die Überzeugung davon muss von selbst in das Gehirn eines jeden Menschen gelangen, besser gesagt in sein Bewusstsein und somit in sein Verständnis. Wissen einprügeln ist der falsche Weg, garantiert. Denn dann könnte einem zwar jeder erläutern warum das so und so ist, aber wirklich verstanden hat es dann doch niemand. Tja was dann? Bleibt doch nur im Kämmerchen vor sich hin zu forschen wird nun so mancher denken - Oder?

Nein! Es geht auch anders. Jeder Mensch muss diesen Prozess durchschreiten, es muss langsam "reifen" und unsere Denke muss sich wie Peter Dürr, meiner Meinung nach vollkommen richtig sagte, verändern. Wir leben im 21. Jahrhundert, aber denken nicht so, so seine Aussage und das stimmt. Aber wir haben auch erst das Jahr zehn des 21. Jahrhunderts und ein Umdenken, so scheint es zumindest für manche ist eine langwierige Angelegenheit.

Nun liegt es an jenen Vorreitern, die es in jeder Zeitepoche gegeben hat, sei es Aristoteles, Galilei, Newton oder Einstein und heute immer noch gibt, wie man bei den verschiedensten Vorträgen des Symposion sehen und hören konnte, das Wissen, das Neue Wissen zu verbreiten. Uns allen die Möglichkeit zu geben dies zu denken, dies zu erfahren.


Nun noch ein paar Worte zum Symposion allgemein und zur Aufnahme des Symposion in der Schule. Als ich von meinem Lehrer angesprochen wurde, ob ich Lust hätte zum Symposion zu gehen und den Flyer in die Hand gedrückt bekam, wusste ich gar nicht so recht will ich dahin oder nicht. Im Nachhinein muss ich sagen, es wäre aus meiner Sicht ein Fehler gewesen "nein" zu sagen. Aus eines anderen Sicht wäre es vielleicht gut gewesen, wenn ich "nein" gesagt hätte, da dieser dann meinen Platz bekommen hätte. So denke ich im Nachhinein. Genauso wie, warum war ich überhaupt derjenige, der das Glück hatte für dieses Symposion "ausgewählt" zu werden? Ich kann es mir bis heute nicht genau erklären, da ich mir sehr viele andere Leute und Personen aus meiner Klasse, meiner Schule dort genauso gut oder sogar noch besser hätte vorstellen können als mich. Nun ja es war so und ich kann sagen, dass es ein riesige Erfahrung für mich war, was vielleicht aus den vorausgegangenen Zeilen hervorgeht. Dennoch habe ich bis heute noch ein Problem damit, dass die "Besatzung" wie ich sie jetzt einfach einmal nennen will beim nächsten Symposion nicht total verändert wird, sodass jedem Schüler der einmal kommen will und mit den Bedingungen die daraus Folgen ("Verbreiten der Themen", Kommunikation mit den anderen speziell in der Schule, schreiben eines Essays, starten eines Projekts zum jeweiligen Thema...) einverstanden ist, dies gewährt wird. Es ist keinesfalls so, dass ich keine Lust auf das nächste Symposion hätte im Gegenteil, ich wünschte, es würde gleich morgen beginnen. Aber irgendwie würde ich diese Erfahrungen gerne jedem ermöglichen. Ich weiß, dass es ein Stück weit an uns liegt, die Erfahrungen und Erlebnisse nach einem solchen Symposion zu verbreiten. Wobei "verbreiten" das falsche Wort ist, da es so "lehrend" klingt. Besser gesagt anderen die selben Erfahrungen geben, die wir erfahren haben. Andere daran teilhaben lassen. Anderen versuchen zu zeigen, die Welt mit anderen Augen sehen zu können.

Natürlich kann ich als Teilnehmer ein Referat über das Symposion halten oder ausgiebig mit der Klasse darüber diskutieren. Aber ich glaube kaum, dass ich so überzeugend und mitreißend auf die Klasse oder mein Umfeld wirken kann wie zum Beispiel Hans Peter Dürr, Bernd Ruf oder Götz W. Werner.

Dies bedeutet natürlich nicht, dass wirklich produktive, sofern die Gespräche bezüglich des Themas wirklich produktiv sein können, wobei das eher bei der Definition von Produktiv liegt, in der Klasse nicht stattfinden können. Dies hat sich bei meiner Klasse bestätigt, als wir im Unterricht Teile oder Thesen speziell in der projektiven Geometrie zum Thema "Unendlichkeit" und "Morphische Felder" während der Epoche immer zu Beginn des Unterrichts ausgiebig und wirklich hart diskutiert haben. Und ich hatte plötzlich einen ganz anderen Blick auf die Dinge, den ich ohne das Symposion vielleicht akzeptiert hätte, aber niemals so lebendig erlebt und nachvollziehen hätte können.

Meine Klasse hat jedenfalls sehr interessiert auf die Schilderungen des Symposions reagiert und es gab einige, bei denen auch ich sagen würde, dass das Symposion genau das richtige für sie wäre, die zur Antwort gaben, dass sie dort auch unbedingt hingehen wollen. Und daher wäre es mein Anliegen eher zu sagen, dass jedes mal andere Leute am Symposion teilnehmen.


Nun komme ich zum Ende meines Essays und hoffe Sie haben einen Einblick bekommen, was es bedeuten kann anders zu Denken, was dies vielleicht auch für Probleme oder gar Ängste hervorrufen kann und nicht zuletzt, wie toll es auch sein kann, wenn man so frei ist, es sich erlauben kann diesen Gedanken zu denken! Ohne Angst haben zu müssen, dass der eigene Kopf am nächsten Tag das Brett hinter der Guillotine hinunter kugelt.


Platz für Dank muss aber auch sein: Ich möchte mich ganz herzlich bei den Initiatoren, den Referenten, den Schülern sowie denen Danken, die Unsichtbar im Hintergrund und wirklich zum sehr guten gelingen des ersten Jugendsymposion beigetragen haben und schon tief in den Organisationen für das nächste Symposion stecken.


Marco Reusch
Freie Georgenschule Reutlingen

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