Die Geschichte und Problematik der Subjekt-Objekt-Spaltung

Aus Jugendsymposion
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von Christian Richert, 1. März 2010


Einleitung

Die Frage nach der Wirklichkeit nimmt in unserer modernen Gesellschaft eine immer bedeutendere Stellung ein, da sich die Menschheit in dem womöglich größten Individualisierungsprozess ihrer Geschichte befindet. Dies währe an und für sich nichts problematisches, wenn dieser Prozess nicht auf einer, auf Gier und Egoismus beruhenden, Konsumgesellschaft basieren würde. Diese Tatsache führt zu einer wachsenden Anspannung zwischen den Individuen, die nun, durch ihren Egoismus geblendet, nur noch ihre eigene Wahrheit sehen können.

Auf der anderen Seite erlebt man aber auch die totale Negierung des Subjektiven durch die sogenannten exakten Naturwissenschaften. Eine subjektive Wahrheit zählt dort nichts und wird demnach auch ignoriert. Zusammenfassend kann man feststellen, dass der Dualismus der Subjekt-Objekt-Spaltung eine starke Anspannung erreicht hat, der die Spaltung in der Gesellschaft vergrößern könnte. Beispiele dafür sind z.B. die stetig wachsende Anzahl von Scheidungen.

Doch wie kann man dieser Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken? Dies ist, meiner Ansicht nach, nur durch ein neues Wirklichkeitsverständniss möglich, ein Wirklichkeitsverständniss, das vielleicht jenseits der der Subjekt-Objekt-Spaltung zu suchen ist. Doch zuerst soll ein kurzer Überblick über die Geschichte der Subjekt-Objekt-Spaltung gegeben werden. Hierbei muss man die Geschichte des Determinismus (Primat des Objekts) und des Relativismus (Primat des Subjekts ) betrachten.


Der Relativismus

Die frühen Ansätze des Relativismus erkennt man schon recht deutlich bei dem griechischen Philosophen Protagoras von Abdera (ca. 490-420c.Chr), der als erster den Menschen als Subjekt für sich selbst betrachtete. So stammt von ihm das berühmte Zitat: „der Mensch ist das Maß aller Dinge, dessen was ist, wie es ist,dessen was nicht ist, wie es nicht ist“ In diesem Ausspruch erkennt man klar und deutlich die Individualisierung des Menschen. Nun ist der Mensch derjenige, der die ihn umgebenden Dinge nach seinem Maßstab beurteilt und nicht mehr nach den Geboten der Götter oder eines moralischen Dogmas. Auch war Protagoras der Erste, der die Behauptung aufstellte, es gäbe von jeder Sache zwei Standpunkte.

Dieser Relativismus der Sophistischen Strömung, der auch Protagoras angehörte, entwickelte sich weiter, sodass man schließlich die Götter z.T. gänzlich verneinte und so der Atheismus entstand. So ist für den Athener Kritias, ein Onkel von Platon, Religion eine Erfindung der Herrschenden so schreibt er: „Es gab einmal eine Zeit, da war das Leben der Menschen jeder Ordnung bar, ähnlich dem Raubtiere, und es herrschte die rohe Gewalt.

Damals wurden die Guten nicht belohnt und die Bösen nicht bestraft. Und da scheinen mir die Menschen sich Gesetze als Zuchtmeister gegeben zu haben, auf dass das Recht in gleicher Weise über alle herrsche und den Frevel niederhalte. Wenn jemand ein Verbrechen beging, so wurde er nun gestraft. Als so die Gesetze verhinderten, dass man offen Gewalttat verübte und daher nun insgeheim gefrevelt wurde, da scheint mir zuerst ein kluger Kopf die Furcht vor den Göttern für die Menschen erfunden zu haben, damit die Übeltäter sich Fürchteten, auch wenn sie ungesehen etwas Böses täten oder dächten“ (Capelle a. a. O., S. 164). Diesem Standpunkt über die Entstehung der Religion mögen zwar berechtigte Zweifel gegenüberstehen dennoch sind in ihm Gedanken vorhanden, die erst sehr viel später von Friedrich Nietzsche wieder aufgegriffen wurden. Auch verdeutlicht er noch einmal das erwachen des Individuums, das nun in der Lage ist seine Umgebung, und sogar sich selbst, zu hinterfragen und sich von äußerlichen Vorherbestimmungen, wie den Götter, emanzipieren will. Der Relativismus setzt sich schließlich z.T. im Deutschen Idealismus der Neuzeit, wie z.B. bei Kant und Fichte, fort. Kant, auf dem die meisten Philosophen dieser Zeit aufbauten, leugnete die Erkenntnis des „Dings an sich“ also ein, vom Ich beobachteter Gegenstand. Für ihn sind unsere Wahrnehmungen nur reine Trugbilder des „Dings an Sich“. Bei Nietzsche erlangt die Idee des Relativismus schließlich ihren vorläufigen Höhepunkt. So unterscheidet Nietzsche zwischen Sklaven- und Herrenmoral. Ein Herr ist, laut Nietzsche, ein (Über)Mensch, der nur aus sich heraus handelt und über jeglicher Moral oder Religion steht. Der Sklave zeichnet sich hingegen durch seine Beeinflussbarkeit durch äußere Einflüsse wie Religion oder Moral aus. Auch leugnet Nietzsche jegliche Art von Erkenntnis der Außenwelt kategorisch ab.


Der Determinismus

Die Idee des Determinismus ist, Frühgeschichtlich gesehen, meist mit Religion, also der Glaube an einen allmächtigen Gott oder mehrere Götter verknüpft. Der Ansatz eines materialistischen Determinismus findet sich erstmalig in der Atomistik des Leukipp und seines Schülers Demokrit (460-370 v. Chr.). Laut dieser Lehre besteht die Welt und das gesamte Universum aus unendlich vielen, unteilbaren Elementen (Atomen), die sich nur durch ihre Gestalt, Lage und Gruppierung unterscheiden. Das zweite gegenüberstehende Urprinzip ist die Leere, also das Vakuum. Die verschiedenen Körper entstehen dabei durch an- und abstoßen der Atome. Durch dieses System ist es den Atomisten als erste gelungen eine in sich logische materialistische Lehre nach dem mechanischen Prinzip von Ursache und Wirkung zu begründen.

Im weiteren wird die gesamte christliche Religionsgeschichte immer wieder von deterministischen Einflüssen geprägt, wie etwa bei Calvin, der einen extrem radikalen Determinismus vertrat, indem der Lebensweg eines jeden Menschen von vornherein durch Gott vorherbestimmt ist.

Seinen Höhepunkt erreichte der materialistische Determinismus mit dem Beginn der Aufklärung und der sich entwickelten Naturwissenschaft, die im Grunde genommen durchwegs deterministisch geprägt war. Erst in der modernen Quantenphysik z.B. in der Unschärferelation Heisenbergs, lassen sich deutliche Anzeichen eines beginnenden Relativismus erkennen.


Die Problematik beider Systeme

Die Problematik des Relativismus oder einer rein subjektiven Wahrheit liegt schon in sich selbst begraben, denn wie will man irgendetwas von der Welt wissen, wenn doch alles nur auf einer extrem ungenauen Wahrnehmungen basiert, von der ich wiederum nur eine ungenaue Wahrnehmung habe u.s.w. Letztendlich müsste man mit diesem System jegliche Existenz verleugnen. Somit relativiert sich der Relativismus selbst, da er sich nicht beweisen kann.

Mit dem Determinismus verhält es sich schwieriger, denn er scheint tatsächlich ein in sich logisches System anzubieten. Jedoch stellen sich dann die Frage nach der Willensfreiheit des Menschen,die hier jedoch nicht behandelt werden kann. Der Hauptproblempunkt des Determinismus ist jedoch der bewusst erkennende d.h der reflektierende Mensch, der sich ein Bild von den Beweggründen seines Handelns verschaffen kann. Denn sobald man in der Lage ist ein System zu verstehen und zu hinterfragen, stellt man sich in gewisser Weise selbst über das System, wird in gewisser weise frei, was wiederum einem deterministischen System völlig widerspricht.

Ein weiterer Problempunkt des Determinismus besteht in der Problematik des genauen definierens eines Objektes, wie dies z.B. in der Physik zu finden ist. So ist es eine Tatsache, dass je genauer die Definition sein soll, der Zufallsbereich umgekehrt proportional zunimmt. D.h., obwohl es paradox klingt, je genauer die Definition desto ungenauer wird sie.


Andeutung einer Aufhebung der Spaltung

Wie kann man aber nun die Welt und Wirklichkeit erkennen, wenn sowohl das System der reinen Objektivität wie auch der Subjektivität versagen? Die Antwort darauf mag in der Gesamtorganisation des Menschen liegen, der sowohl subjektiv wie auch mit einer gewissen Objektivität die Welt betrachten kann. Der Beweis für die Fähigkeit des Menschen objektive Wahrheiten zu erkennen, liegt in der Tatsache, dass jeder Mensch in der Lage ist allgemeine Naturgesetze, die das Gegenteil einer „exakten“ Definition darstellen, zu begreifen. Diese Fähigkeit ist nicht einmal eine rein menschlich, sondern auch eine tierische, denn schließlich ist jedes Lebewesen dazu in der Lage sich in seiner Umwelt zurechtzufinden also z.B. Laufen oder Sprechen zu lernen, was wiederum die intuitive Erkenntnis der Gesetzmäßigkeiten, also z.B. von dem was wir heute Gravitation nennen, erfordert. (Natürlich ist das bewusste Erkennen, nach dem was man heute weiß, erst wirklich im Menschen Vorhanden).

Muss, andererseits, eine subjektive Wahrheit denn sofort eine Unwahrheit sein, oder kommt sie dem Wesen eines Objektes nicht viel näher? Dies ist durchaus möglich, doch gilt es hier die Sinneseindrücke ( Gefühle werden hier zu den Sinnen hinzugezählt) mit dem Denken zu verarbeiten, den Mut zu haben die Wahrheit zu akzeptieren und dann als freier Mensch seine Entscheidung zu Treffen. In diesem Sinne schreibt Schiller in seinen ästhetischen Briefen: „ Erküne dich weise zu sein. Energie des Mutes gehört dazu, die Hndernisse zu bekämpfen, welche sowohl die Trägheit der Natur als die Feigheit des Herzens der Belehrung entgegensetzt. Nicht ohne Bedeutung lässt der antike Mythos die Göttin der Weisheit in voller Rüstung aus Jupiters Haupt steigen; denn schon ihre erste Verrichtung ist eine kriegerische. Schon in der Geburt hat sie einen harten Kampf mit den Sinnen zu bestehen, die aus ihrer süßen Ruh nicht gerissen sein wollen.“(Stuttgart 2005, S. 50f.) Natürlich beeinflussen die Sinne Auch das Denken, sodass ein Wechselspiel entsteht.


Literatur:
Helferich, Christoph: Geschichte der Philosophie
Scheurle, Hans Jürgen: Die Gesamtorganisation Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung in der Sinneslehre
Schiller, Friedrich: Über die ästhetischen Erziehung des Menschen


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