Bericht über die Vorführung von Experimenten mit Schießbaumwolle bei einer Fortbildungsveranstaltung für Waldorflehrer im Fach Chemie

Aus Jugendsymposion
Wechseln zu:Navigation, Suche

von Alexander Deutsch, 7. März 2010

als Bewerbung für das nächste Kassler-Jugendsymposium


Anfang Februar hatte ich das Glück und durfte im Rahmen der Blockausbildung für Oberstufenlehrer im Fach Chemie in Kassel am Lehrerseminar einige meiner Chemieversuche den angehenden Lehrern vorführen. In diesem Essay werde ich von der Schießbaumwolle den Versuchen und der Präsentation berichten, angefangen von dem ersten Kontakt bis hin zu meinen eigenen Experimenten.Zuerst möchte ich aber noch erläutern was Schießbaumwolle (Cellulosenitrat) ist und wie sie hergestellt wird.

1846 entdeckte der Chemiker Christian Friedrich Schönbein zufällig das unter Einwirkung von Salpetersäure und Schwefelsäure (Nitriersäuren) auf Baumwolle ein explosiver Stoff, Cellulosenitrat oder auch Schießbaumwolle, entsteht. Durch eine Unachtsamkeit verschüttete er auf seinem Labortisch Schwefelsäure und Salpetersäure und wischte beide Säuren mit einem Baumwolltuch auf. Nachdem er es zum Trocknen vor den Ofen gehängt hatte, verbrannte es rückstandslos. Bei der chemischen Reaktion werden sehr viele Sauerstoffmoleküle gebunden, so dass sie auch im gepressten Zustand, im Gegensatz zur reinen Baumwolle, verbrennen kann. Die amerikanischen Brüder Hyatt entwickelten 1869 den Kunststoff Celluloid. Bei ihrem Verfahren legten sie Cellulose in Kampfer und Alkohol und ließen anschließend das Lösungsmittel verdampfen. Dieser Stoff war durchsichtig wie Glas aber zäher wie Leder, man konnte ihn wunderbar färben und er war bei niedriger Temperatur schmelzbar.


Noch heute werden aus Celluloid Tischtennisbälle gefertigt. Der einzige Nachteil ist, weswegen man ihn in vielen Bereichen durch modernere Stoffe ersetzt hat, das er so leicht entflammbar ist. Im ersten Weltkrieg nahm man Schießbaumwolle auch als Schwarzpulver Ersatz um die Gewehre zu laden. Aber dies ließ man schnell wieder bleiben, da oft schon beim Zielen das Rohr explodierte. Schießbaumwolle explodierte mit einer Geschwindigkeit von 600 m/s Schwarzpulver nur mit 400 m/s. Sie unterliegt heutzutage dem Sprengstoffgesetz.


Gesehen habe ich Schießbaumwolle zum ersten mal im Chemieunterricht vor ein paar Jahren. Damals hat jeder von uns Schülern etwas bekommen, das er dann auf der Hand verbrennen durfte. Sofort war ich fasziniert von der Wirkung, die sie beim Verbrennen entwickelt, der Rückstandslosigkeit und der Geschwindigkeit mit der es geschieht. Ich wollte sofort mehr herausfinden und Versuche entwickeln mit der man das Besondere von Schießbaumwolle anschaulich demonstrieren kann.

Gesehen hatte ich in der Schule einen Explosionsversuch, bei dem eine Metallhülse zersprengt wird. Geeignet sind Zigarrenhülsen, weil sie in der Regel nur aufplatzen und nicht zersplittern. Die Hülse wird mit etwas Schießbaumwolle gefüllt und der Deckel mit Kreppband verstärkt und geschlossen. Anschließend wird sie so in ein Stativ gespannt, das sie sich bei der Explosion nicht lösen kann. Hinter einer Schutzwand wird sie mit einer darunter stehenden Kerze gezündet. Die Schießbaumwolle wird von der Kerze erhitzt und entzündet sich, dabei bildet sie einen so hohen Druck das sie mit einem lauten Knall die Zigarrenhülse zersprengt. Um so dickwandiger die Hülse ist, um so mehr Druck kann sich aufbauen und um so lauter wird die Explosion.

Als ich mit eigenen Versuchen begann, merkte ich schnell, das ich zu anderen Mitteln greifen muss, als zu den relativ dünnwandigen Zigarrenhülsen, wenn ich eine stärkere Wirkung und einen lauteren Knall demonstrieren will. Ich experimentierte mit verschiedenen Materialien, doch keiner meiner Versuche überzeugte mich wirklich. Ein großer Schritt war dann die Idee, die Schießbaumwolle elektrisch zu zünden. Das hatte den Vorteil, dass die Explosion zeitlich gezielter und aus großer Entfernung gezündet werden konnte.

Das brachte Sicherheit in die Versuche, weil man genau weiß, wann es zur Explosion kommt. Den elektrischen Zünder baute ich aus einem Trafo, der die Spannung bis auf 12 V heruntersetzte. An plus und minus setzte ich jeweils eine Krokodilklemme. Aus einer Ader von einem Kabel isolierte ich einen einzelnen Kupferdraht. Diesen spannte ich zwischen die Klemmen, so dass er die Schießbaumwolle berührte. Beim Einschalten des Trafos gab es einen Kurzschluss und der Draht glühte durch, so dass der Trafo nicht zu schaden kam. Dies reichte aber aus, um die Schießbaumwolle zu entzünden. Das Prinzip einer alten Sicherung nur in umgekehrter Funktion.


Nun ersetzte ich die Zigarrenhülse durch eine drei Millimeter starke Pappröhre, da sonst das Blech von der Zigarrenhülse geleitet und die Zündung nicht funktioniert hätte. Die Enden verschloss ich mit Gummistopfen. Bei der anschließenden Zündung flogen nur die Stopfen raus. Damit dies nicht wieder geschieht, spannte ich die Pappröhre mit samt Stopfen quer in eine Stativklemme. Ich hatte die Hoffnung, dass so die Pappröhre zersprengt wird. Es knallte wieder und beim ersten hinschauen sah es so aus als wäre nichts geschehen.Doch beim genauen Hinschauen sah ich, das nicht,wie erhofft, die Pappröhre kaputt war, sondern sich die Stativklemme verbogen hat. Die Stopfen waren wenig gelockert, so dass der Überdruck dort entweichen konnte.

Spannend fand ich daran zu sehen, dass die Schießbaumwolle die Kraft entwickelt die Stativklemme zu verbiegen, aber man der Pappröhre innen wie außen nichts angesehen hat.

Ich begann eine neue Versuchsreihe: Dabei wollte ich die Wucht der Schießbaumwolle nicht mehr nur durch Lautstärke demonstrieren.Ich ersetzte einen der Stopfen durch eine Styroporkugel die ich bis zur Schießbaumwolle in die Pappröhre hineinsteckte, spannte sie längs in das Stativ und zündete wieder elektrisch. Die Röhre hatte einen Innendurchmesser von 0,5 cm. Die Kugel flog ca. 10 m. Als ich die Styroporkugel gegen eine Holzkugel austauschte, flog sie noch weiter. Damit ich die Kraft noch anschaulicher darstellen konnte, spannte ich zwischen zwei Stative ein Seidenpapier. Dies wählte ich aus, weil es nicht so zäh ist wie ein normales Schreibpapier und schoss aus 50 cm Entfernung darauf. In der Mitte war ein großes Loch zu sehen.Dann tauschte ich das Seidenpapier gegen ein Schreibpapier aus und erhöhte die Entfernung schrittweise.Bis zu einem Meter Entfernung reichte die Kraft aus, um das Papier zu durchschlagen.

Den selben Versuch machte ich auch mit einer Pappröhre die einen Innendurchmesser von 2,5 cm hat. Da ich für diese Größe keine Holzkugeln hatte, konnte ich hier nur Styroporkugeln verwenden. Auch hier entstand ein Loch, wenn ich aus ca. 70 cm darauf schoss.

Im Unterricht wurde uns noch ein anderer Versuch gezeigt, bei dem eine Sprudelflasche so mit Schießbaumwolle gefüllt wird, das sie Kontakt zum Deckel hat.Der Plastikdeckel wird durch ein Metalldeckel ersetzt.Die Flasche wird Kopfüber in eine Ringklemme gehängt so dass sie am Aufstieg nicht gehindert wird. Beim Erhitzen des Deckels mit einer Kerze entzündete sich die Schießbaumwolle und die Flasche flog ca. drei Meter hoch. Auch diesen Versuch wollte ich elektrisch zünden.

Allerdings gab es als erstes wieder einen Fehlversuch: Ich hatte den Deckel gegen einen Stopfen mit dem Draht zum Zünden ausgetauscht und spannte alles ein. Bei der Explosion flog die Flasche hoch, wurde aber von den Kabeln zurück gehalten, da der Stopfen sich nicht gelöst hatte.

Das nächste mal spannte ich nur den Stopfen zwischen eine Stativklemme. Die Flasche flog wie gewünscht ca. 5 m. Damit war ich zufrieden.


Die Blockausbildung für Oberstufenlehrer im Fach Chemie ist so aufgebaut, dass die Chemielehrer jeden Abend von 18 bis 20 Uhr eine Unterrichtseinheit haben. Eine davon stand mir zu Verfügung, in denen ich erst die Versuche zeigen wollte und anschließend konnten die Versuche ausprobiert und nachgemacht werden.

In der Hauptsache wollte ich meine elektrisch gezündeten Versuche zeigen,aber außerdem auch verschiedene andere Experimente mit Schießbaumwolle, die ich aus der Schule kannte.


Bei der Demonstration kam es mir darauf an, eine Steigerung der Wirkung zu zeigen.
Ich hatte mir folgende Reihenfolge überlegt:

  • Schießbaumwolle in einem ausgehöhlten Teelicht verbrennen ( fliegendes Teelicht)
  • die mit Schießbaumwolle umwickelte Kerze
  • Schießbaumwolle unter einem Becherglas
  • Zigarrenhülse (siehe oben)
  • Konfettibombe mit Schießbaumwolle (eigene Versuch)
  • Flaschenrakete mit Kerze gezündet
  • Flaschenrakete elektrisch gezündet
  • Papier durchschlagen (siehe oben)


Am Sonntag vor der Präsentation traf ich mich mit meiner Chemielehrerin, um alle Versuche vorzubereiten und aufzubauen.

Die Durchführung am Dienstag Abend hat mir viel Spaß gemacht. Am Anfang zum Beispiel bat ich einen Teilnehmer mir das Teelicht anzuzünden, da ich mein Feuerzeug verlegt hätte. Mit etwas Skepsis zündete er das erste an und als nichts geschah, zündete er sehr bereitwillig das Zweite auch an. Das Zweite war das präparierte, beim Anzünden flog es hoch und löste allgemeines Gelächter aus.Dann fand ich auch mein Feuerzeug wieder.

Dadurch war die Stimmung gut und gelöst und alle anderen Versuche wurden interessiert aufgenommen. Bis auf den letzten Versuch bei dem beim ersten mal die Höhe des Blattes mit der Fluglinie der Kugel nicht übereinstimmte, klappte alles gut.

Anschließend konnten die Teilnehmer das ausprobieren wozu sie Lust hatten. Ich bin herum gegangen und habe Hinweise gegeben. Erstaunlich war, dass oft die Männer zu viel Schießbaumwolle genommen haben. Man verbraucht dadurch sehr viel und hat keine größere Wirkung. Die Frauen dagegen nahmen eher zu wenig, deswegen funktionierte manches nicht.

Ein anderes Problem war, dass die Schießbaumwolle oft zu lange in den Händen gehalten wurde und dadurch nicht mehr trocken genug war. Wenn sie feucht ist verbrennt sie langsamer.


Rückblickend bin ich erstaunt wie wenig diszipliniert die Teilnehmer waren. Als 5 Minuten nach Beginn alle da waren, konnten wir anfangen und jeder ging, als er für sich ein Ende beschlossen hatte. Sonst hätte ich gerne am Ende noch ein paar abschließende Worte gesagt und mich über eine Rückmeldung der Teilnehmer gefreut.


Trotzdem hat mir die ganze Sache Spaß gemacht. Obwohl es ein eigenartiges Gefühl war ältere Menschen zu unterrichten, die vielleicht in ein paar Wochen Schülern meines Alters meine Experimente zu zeigen. Bisher gab es diese Experimente nur an unserer Schule, nun könnten sie in vielen Schulen in ganz Deutschland unterrichtet werden.


Alexander Deutsch


Links

Zurück zum Inhaltsverzeichnis der eingereichten Essays