Artaban – eine selbstorganisierende Jugendgruppe

Aus Jugendsymposion
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von Martin Nast, 28. Februar 2010

Im Nachfolgenden Text möchte ich ihnen eine selbstorganisierende Jugendgruppe vorstellen, bei der ich seit einigen Jahren aktiv bin.


Artaban:

Vor mittlerweile zwei Jahren lud mich eine Freundin auf ein Lager einer mir völlig unbekannten Gruppe ein. Diese Gruppe heißt Artaban. Dies war mein erstes Tanzlager und auf der Rückfahrt aus Hannover wurde dann die Artabangruppe Nürtingen gegründet, Denn außer mir und meiner Freundin waren noch drei andere Schulkameraden aus Nürtingen dabei. Seit dieser Zeit bin ich einer der aktiven Älteren der Gruppe, was man auch daran erkennen kann, dass ich als Jahresarbeit eine Jurte für die Gruppe nähe und das Osterlager mit zwei anderen Artabanern organisiere. Für mich ist diese Gruppe das pure Leben, denn hier kann jeder mitreden, mitorganisieren, mitmachen, alles wird zusammen entschieden, es gibt keinen gewählten Anführer - natürlich bilden sich einzelne Menschen heraus, die eben einfach von sich aus mehr machen und durch ihre Erfahrungen mehr Ansehen und dadurch Sagen bekommen. Und doch ist man darüber froh, dass es sie gibt, denn diese Personen werden Idole der Jüngeren, für die alle Älteren sowieso schon eine Vorbildfunktion haben.

Was auch sehr schön ist, ist dass es bei Artaban kein Alkohol gibt und man erkennt, dass man auch ohne Alkohol sehr viel Spaß haben kann. Doch leider wird man immer wieder enttäuscht, wenn man zurück in sein „normales“ Lebensumfeld kommt, in dem viele Leute meinen sich nur aus Dummheit Alkohol in jeglicher Form bis ins Krankenhaus hinter die Birne zu kippen. – nicht dass ich kein Alkohol trinke, jedoch trinke ich Alkohol nur zum Genuss. Auch fehlt im wahren Leben die „Echtheit“ der Menschen, viele sind so aufgesetzt, dass man das wahre Ich nur noch sehr schwer erkennen kann und vor allem kennenlernen kann.

Das interessante an Artaban ist dass Artaban eine Jugendgruppe ist, bei der auch wirklich nur Jugendliche dabei sind, das heißt die Fahrten und Lager (bis zu 220 Leute) werden auch nur von diesen Jugendlichen organisiert. Durch Artaban lernt man sehr sehr viele neue Leute kennen, mit denen man sehr viel machen kann, neben den alltäglichen Dingen geht es eben auch oft ins philosophieren aber auch in genau die Gegenrichtung, in der man einfach nur Spaß hat.


Die Entstehung von Artaban:

Artaban ist eine Jugend-Wandergruppe, die vor ca. 25 Jahren von drei Lehrern aus Hannover Maschsee, Schwenningen und Salzburg gegründet wurde. Diese drei Lehrer hatten jeweils schon eine eigene Wandergruppe an ihrer Schule und wollten ein größere Gemeinschaft bilden, was sie dann unter dem Decknamen Artaban auch machten.. Mittlerweile gibt es mehr als zwei Hand voll Artabangruppen verteilt in ganz Deutschland und Österreich.


Was macht man bei Artaban?

In jeder Gruppe gibt es Gruppenstunden, die regelmäßig alle ein bis zwei Wochen stattfinden. Bei den Gruppenstunden wird gesungen getanzt, gespielt, gekocht und vieles mehr, je nach dem wie kreativ die „Älteren“ sind. An machen Wochenenden gibt es kleine Fahrten und Lager, die nach Möglichkeit mit anderen Gruppen zusammen stattfinden. Auch dabei wird viel getanzt, gesungen und gespielt. Dabei entsteht eine gruppenübergreifende Gemeinschaft, die auch noch Jahre nach der Schulzeit wirkt. Jeder ab der vierten Klasse bis zur Oberstufe kann einfach mitmachen, ohne sich Gedanken um den nächsten Tag zu machen. Denn dafür sind die Älteren ab der 9. Klasse da, die die Lager und Fahrten organisieren und sich um die Jüngeren kümmern. Und ihnen vielleicht auch mal Aufgaben wie Kloputzen zuweißen, was in der Gemeinschaft durchaus Spaß machen kann. Die Highlights sind die meist in den Ferien stattfindenden größeren Lager, bei denen alle Gruppen kommen. Aber auch während der Schulzeit gibt es Lager mit ein zwei Gruppen.


Tanzlager:

In der Weihnachtsferien gibt es das Tanzlager, es geht über eine Woche und findet immer in den Räumen der Waldorfschule statt, deren Gruppe das Lager organisiert. Der Tagesablauf ist mit AGs der Älteren, Fahrtenliedersingen (für die Jüngeren), Chorsingen (Für die Älteren), kleineren und größeren Aktionen und Abends mit tanzen gefüllt. Bei den AGs ist der Kreativität der Älteren keine Grenze gesetzt.

Das Tanzen ist das beste am Lager, denn hier kommen alle, nach dem Essen, in einer Sporthalle zusammen, spielen vielleicht noch Bulle und Jägerball bis irgendwelche Älteren Akkordeon, Geige, Gitarre und Schlagzeug auspacken und anfangen zu spielen. Dann bildet sich ein Kreis und der angespielte Tanz wird angefangen die angespielten Volkstänze aus aller Welt zu tanzen, so dass man gegen 22 Uhr die ausgepowerten Jüngeren nach Zähneputzen und Katzenwäsche in den Schlaf singen oder mit einer Geschichte in den Schlaf erzählen kann. Bei den älteren ist dann noch lange nicht Schluss, sie tanzen weiter, beginnen Volleyball zu spielen und sich über philosophische Themen, Erlebnisse und andere Gedanken auszutauschen. Dabei entsteht eine so feste Gemeinschaft zwischen den Teilnehmern, wie ich sie noch nirgends anders, außer in Familien, gesehen habe.

Die Aktionen sind jedes Jahr sehr ähnlich, denn meistens gibt es ein Geländespiel, es wird in einer Kirche gemeinsam gesungen und an einem Abend gibt es noch eine Wanderung, die an einer Feuerstelle endet, wo laut gesungen wird, denn gleichzeitig werden die Puukko Prüflinge mit verbundenen Augen in den Wald geführt, aus dem sie dann im Dunklen, ohne Hilfsmittel zur Feuerstelle finden müssen. Bei dieser Prüfung lernt man sich selber sehr gut kennen, denn man ist absolut auf sich alleine gestellt, durch das oft um-die-eigene-Achse drehen vielleicht noch orientierungslos, und kann viel nachdenken. Wenn man den Feuerplatz, den man zuvor schon ganz kurz im Dämmerlicht gesehen hat, dann irgendwann findet bekommt man ein Puukko, ein Finnisches Messer. Aber auch wenn man den Feuerplatz nicht findet und irgendwie wieder eingesammelt wird, bekommt man der Erfahrung wegen schon das Messer.


Osterlager:

Jede Osterferien gibt es das Osterlager. Dabei wandern die Artabangruppen erst mal für sich alleine, oder mit einer anderen Gruppe zusammen, so dass man nach einer halben Woche am Lagerplatz angelangt ist. Dort bauen dann die Gruppen ihre Jurten und Kothen auf und das Lagerleben kann beginnen. Auch hier ist der Tag mit AGs und Singen gefüllt, in den langen Mittagspausen und am Abend wird auch getanzt und gespielt. Auch hier gibt es gewisse Rituale, die aus verschiedenen Religionen übernommen sind. So zum Beispiel das Abendmahl, die schweigende Wanderung zur Quelle zum Sonnenaufgang.(Ja, das geht mit 180 Leute) und die Sternkreiszeichen von den Kelten. An einem Tag gibt es noch eine Wanderung zu einer Kirche, in der dann auch gemeinsam gesungen wird. Beim Osterfeuer am letzten Abend wir gesungen, sich gewärmt, und auch die Puukkoprüfung gemacht.


Sommerfahrt:

In den Sommerferien machen die Älteren jeder Gruppe für sich oder auch mit einer anderen Älteren zusammen eine Sommerfahrt in ferne Länder. Die Sommerfahrt ist meistens 2-3 Wochen lang. Meistens besteht sie aus einer Wanderung und einer Zeit an einem Ort um an einem gemeinnützigen Projekt zu helfen. Aber es gibt auch Sommerfahrten, bei denen gesegelt wird oder eben nur gewandert. Die Wanderungen haben immer einen Tagesumfang von ca. 30km. Das eigene Gepäck für die drei Wochen hat man selbstverständlich auf dem Rücken. Dazu kommt noch Gruppengepäck, wie Jurte und Essen. Bei den Wanderungen lernt man sich selber sehr gut kennen, denn man erkennt seine Grenzen, vor allem an Tagen, an denen die Kilometer sich häufen oder man im Regen den Berg hoch muss. Während dem Wandern entstehen auch oft tiefere Gespräche und Ideen, was man mit seinen Jüngeren, die ja auf dieser Fahrt nicht dabei sind, noch schönes machen könnte. Diese mehrwöchige Wanderungen sind das beste Mittel für den Gruppenzusammenhalt.

Das interessanteste bei diesen Fahrten ist die Gastfreundschaft, die man in den Fremden, meist östlichen Ländern erfährt. Aber auch andere Erlebnisse sind sehr interessant, z.B. dass ein Mann mitten im Dorf einem Fremden Mädchen an den Po greift und das obwohl zwei Jungen daneben stehen. An so etwas sieht man deutlich, dass andere Länder andere Sitten haben. Doch lernt man auch die Gastfreundschaft der Menschen kennen, die eigentlich nichts haben, einem dann aber doch Pflaumen anbieten, oder einem anbieten ihn deren Scheune oder gar zu 25 in deren Wohnzimmer zu schlafen.

Während meiner zwei Sommerfahrten nach Estland und Rumänien habe ich bis jetzt, bis auf diese eine Ausnahme, nur positive Erlebnisse gehabt.


Älterenlager:

Am Älterenlager kommen aus allen Gruppen ein paar ältere in eine Schule zusammen, um die Zukunft und die Vergangenheit zu besprechen. Z.B. wer macht die nächsten Lager, wie geht es den einzelnen Gruppen?, gibt es Probleme? Außerdem werden Vorschläge, Ideen und die dazugehörigen Erfahrungen ausgetauscht. An den Abenden wird meistens getanzt, gespielt und gesungen.


Martin Nast


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